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Der Fluss der Erinnerung: Roman (German Edition)

Der Fluss der Erinnerung: Roman (German Edition)

Titel: Der Fluss der Erinnerung: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: DeVa Gantt
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ein Stück rannte und er auf und ab hopste. »Weißt du, was, Mainie? John hat einen echt großen …«
    Seine Hand legte sich auf die kleinen Lippen und erstickte den Rest des Satzes. Erstaunt sah Charmaine, wie John errötete. Als sie endlich begriff, hätte sie beinahe laut gelacht. Sie hatte John Duvoisin noch nie verlegen erlebt. Doch als er den Kleinen von den Schultern hob und ihm »Das solltest du doch nicht sagen« ins Ohr flüsterte, wandte sie sich ab.
    Die nächste halbe Stunde verbrachte Pierre am Strand und quietschte vor Vergnügen, wenn der salzige Schaum über seine Füße schwappte. Auch Charmaine streifte Schuhe und Strümpfe ab und genoss das kühle Nass, das um ihre Knöchel spülte. Als ob es die schmerzliche Vergangenheit wegwaschen wollte. Deutlich spürte sie die Gegenwart ihrer Mutter, doch statt Kummer empfand sie tiefe Zufriedenheit. Als sie noch klein war, hatten sie und ihre Mutter einmal eine alte Lady besucht, die nahe am Ozean lebte. Damals hatten sie viele Stunden am Strand verbracht und sich von ihrem schweren Schicksal erholt.
    Irgendwann sah Charmaine zum azurblauen Him mel empor, wo sich im Südwesten dunkle Wolken sammelten. Schwerelos segelte eine Möwe mit ausgebreiteten Schwingen hoch über den Himmel, bis sie bei einem Windstoß mit lautem Kreischen auf die Wellen niederstieß. Kurz vor dem Eintauchen hob der nächste Windstoß den Vogel erneut in die Höhe, und nach heftigem Flügelschlagen segelte er auf den Ozean hinaus. Dem Verderben so nahe, haarscharf am Tod vorbei.
    Tod. Wieder dachte Charmaine an ihre Mutter, an die trostlosen Tage, als sie ohnmächtig dagelegen hatte, bevor sie gestorben war. Tod. Sie dachte an Colette, an die Tage voller Angst, als alle gebetet und auf ein Wunder gehofft hatten. Tod. Ob die Möwe nur eine Warnung gewesen war und ihr Leben jederzeit wieder in Gefahr geraten konnte?
    Johns Stimme riss sie aus ihren Gedanken. »Charmaine? Sie waren aber weit weg. Womöglich sogar in Richmond?«
    Sie nickte nur stumm.
    »Die Vergangenheit hinter sich zu lassen ist nicht leicht.« Seltsam, wie er ihre Gedanken las und ihre Unsicherheit durchschaute. Er hielt Pierre in seinen Armen, und dieses Bild gefiel ihr. Diesmal war die Gegenwart ihrer Mutter noch deutlicher und verscheuchte ihre Ängste.
    Als Charmaine sich umsah, konnte sie die Zwillinge nirgends entdecken. »Wo sind die Mädchen?«
    »Im Wald. Sie haben versprochen, dass sie gleich wieder da sind.«
    »Im Wald? Guter Gott! Und die Klapperschlangen?«
    »Schlangen? Du lieber Himmel, wie konnte ich das nur vergessen!« Er schlug sich gegen die Brust und sah besorgt drein, legte aber trotzdem keine Eile an den Tag.
    Wütend lief Charmaine davon, aber John rannte ihr nach und hielt sie am Arm fest.
    »Wie können Sie da nur lachen!«
    »Charmaine, hier gibt es keine Schlangen«, sagte er, als sie sich losreißen wollte.
    Sie erstarrte. »Wie bitte?«
    Aber John ließ ihre Hand nicht los. »Es gibt hier weder Schlangen noch wilde Tiere. Ich habe mir das nur ausgedacht, damit Sie wieder aufs Pferd steigen.«
    »Sie haben michangelogen? Ich kann nicht glauben, dass Sie zu so etwas fähig sind!«
    Er lachte leise. »Ach, meine liebe Charmaine, Sie haben ja keine Ahnung, was ich schon alles gemacht habe. Um Sie wieder in den Sattel zu bringen, hätte ich auch noch ganz andere Lügen aufgetischt.«
    »Oh, Sie brutaler, Sie hinterhältiger …«
    Ein Donnerschlag ließ John ernst werden. Besorgt sah er zum Himmel empor, während Charmaine weiter wütete. Erst der nächste Donnerschlag ließ auch sie verstummen. Der Himmel war gefährlich schwarz geworden.
    »Packen Sie das Picknick zusammen«, befahl er. »Ich hole die Pferde. Der Sturm kommt schnell näher. Vor einer halben Stunde war der Himmel noch klar.«
    »Und die Mädchen?«
    »Die haben den Donner auch gehört«, rief er über die Schulter zurück. »Sie werden in Kürze hier sein.«
    »Aber Yvette fürchtet sich doch vor gar nichts.«
    »Ich wette jede Summe, dass sie schneller hier ist als Jeannette.«
    Charmaine eilte zu Pierre, der noch immer im Sand spielte. Sie säuberte ihn, trug ihn zur Decke und zog ihm Schuhe und Strümpfe an. Nachdem auch sie wieder in Schuhe und Strümpfe geschlüpft war, räumte sie die Reste des Picknicks zusammen.
    Gerade als die Mädchen angerannt kamen, erschütterte der nächste Donner die schwüle Luft. Ängstlich sah Yvette zum Himmel empor. »Das Unwetter wird sicher schlimm«, flüsterte sie.
    Auf dem Rückweg

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