Der Fluss der Erinnerung: Roman (German Edition)
donnerte oder der Wind ums Haus heulte. »Was hat dir bei unserem Picknick eigentlich am besten gefallen?«, fragte sie munter, um ihn ein wenig abzulenken.
»Mit Johnny zu reiten.« Als sie ihm die Kleider auszog, sah er an sich hinunter. Dann hob er den Kopf und strahlte seine Gouvernante an. Sie lächelte zurück. Offenbar war ihr Plan erfolgreich. »Jetzt weiß ich es. Das heißt Penis, Mainie.« Er deutete auf sein Geschlechtsteil, woraufhin Charmaines Lächeln erstarb.
»Was hat Pierre gesagt?«, fragte Yvette.
»Nichts«, beschwichtigte Charmaine. »Er hat nichts gesagt.«
Rasch wandte sie sich wieder an den Jungen. »Das Wort ist privat, Pierre. Das darf man nicht sagen.«
»Warum?«
»Es gehört sich nicht, darüber zu sprechen. Hast du das verstanden?«
»Was hat er denn gesagt?«, fragte Yvette noch einmal.
»Er wird es nicht wiederholen, nicht wahr, Pierre?«
Gehorsam schüttelte der Junge den Kopf. »Nein.« Damit war der Fall erledigt.
Die Mädchen hatten gerade ihr Bad beendet und kämmten sich die nassen Haare, als Travis Thornfield an der Tür klopfte. »Der Vater möchte seine Kinder sehen«, richtete er aus.
Charmaine wurde blass, aber Jeannette lächelte sie an. »Papa hat vielleicht ein Geschenk für uns.« Aber Charmaine war sich dessen nicht so sicher. Sie schämte sich, dass sie keinen Gedanken an den Vater verschwendet hatte, als sie die Kinder zu dem Picknick entführt hatte. Im letzten Jahr hatte er sich extra Zeit für die Kinder genommen. Letztes Jahr. Wenn sie an letztes Jahr dachte, war ihr nicht wohl zumute. Aber das war keine Entschuldigung, die Kinder heute nicht zu ihm zu bringen. Ob er böse war, dass sie den Tag mit ihrem großen Bruder verbracht hatten? Dass ihre Gouvernante dem Ausflug zugestimmt hatte?
Ein paar Minuten später waren sie alle in Frederic Duvoisins Ankleidezimmer versammelt. Zu Charmaines Kummer erzählten die Mädchen sofort von dem aufregendsten Geburtstag, den sie jemals erlebt hatten. »Wir haben sogar schwimmen gelernt!«, schloss Yvette.
Frederic nickte. »Also war es ein schöner Tag?«
»Es war lustig«, sagte Pierre, der auf Frederics Schoß saß. »Ich durfte auf Johnnys Pferd reiten!«
Frederic lächelte seinen Sohn an. Charmaine atmete erleichtert auf. Ein gutes Zeichen. Offenbar war er ihr nicht böse. »Hattest du denn keine Angst?«
»Aber nein. Johnny hat mich doch festgehalten. Ich liebe Johnny, Papa.« Zur Bekräftigung schlang der Junge die Ärmchen um seinen Vater. »Ich bin froh, dass Johnny wieder zu Hause ist.«
Melancholisch richtete Frederic den Blick in die Ferne.
»Die Ponys sind das beste Geschenk, das wir jemals bekommen haben!«, sagte Yvette mitten in seine Gedanken hinein.
»Das kann ich mir denken«, erwiderte ihr Vater. »Ich habe zwar auch ein Geschenk für euch, aber ich fürchte, dass es mit den Ponys nicht mithalten kann.«
»Was ist es denn?«, fragte Jeannette neugierig.
»Wenn ihr dort drüben in den Korb schaut, könnt ihr es sehen.«
Das ließen sich die Mädchen nicht zweimal sagen. Sie rannten in die Ecke und stürzten sich auf die kleinen Fellknäuel. Pierre rutschte vom Schoß seines Vaters herunter und lief begeistert hinter den Mädchen her. Im nächsten Moment wurden die Kätzchen aus dem Korb gehoben. »Sieh nur, Pierre, ein Kätzchen«, sagte Jeannette und setzte ihres auf den Boden.
Pierre streichelte über das Fell. »Es ist so weich!«, rief er.
Als das Tier schnurrte, riss er verwundert die Augen auf. »Was ist das?«
»Schnurren heißt«, erklärte seine Schwester, »dass das Kätzchen dich mag. Setz dich auf den Boden, dann darfst du es ein bisschen halten.«
Pierre gehorchte, und Jeannette legte ihm ihr Kätzchen auf den Schoß. Kichernd sah der Junge zu, wie sich das orangefarbene Tier mehrmals um sich selbst drehte, bevor es von seinem Schoß sprang. Im nächsten Moment jagten die beiden Fellknäuel durch den Raum, fielen übereinander her und spielten miteinander. Die Kinder hatten großen Spaß und lachten, und der Sturm war rasch vergessen.
Yvette schlang den Arm um ihren Vater. »Du hast recht, Papa. Die Kätzchen sind zwar nicht so schön wie die Ponys, aber sie sind viel besser als die Puppen, die du uns letztes Jahr geschenkt hast.«
Frederic drückte sie an sich. »Du bist ein wunderbares Mädchen, Yvette.«
Danach war Jeannette an der Reihe. »Ich mag die kleinen Katzen genauso gern wie die Ponys.« Sie gab Frederic einen Kuss. »Vielen Dank, Papa.«
Pierre
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