Der Fluss der Erinnerung: Roman (German Edition)
Klang ihrer Stimme setzte Pierre sich auf und rieb sich die Augen.
»Du bist ja schon wach.« Charmaine setzte sich zu ihm und nahm ihn in die Arme. Dabei war sie überrascht, mit welcher Liebe John den Jungen betrachtete.
Sekunden später polterte Yvette herein und störte den Zauber des Augenblicks. »Cookie lässt ausrichten, dass das Dinner wie immer um sieben Uhr serviert wird.«
Aus der Küche war verheißungsvolles Geklapper zu hören, aber noch hatte man nicht mit dem Servieren begonnen. Agatha spitzte die Lippen, aber sie sparte sich die Bemerkung und zog nur eine Braue in die Höhe. Einige Stühle waren noch unbesetzt. John verspätete sich öfter, dachte Charmaine, doch was konnte Paul aufgehalten haben? Ob er ihr die Bemerkung seines Bruders über das Schwimmen zum Vorwurf machte?
Agatha ergriff als Erste das Wort. »Wie ich höre, haben Sie mit den Kindern ein Picknick gemacht, Miss Ryan.«
Voll böser Ahnungen sah Charmaine die Herrin des Hauses an. Der Satz klang harmlos, aber Agatha richtete nie ohne Absicht das Wort an sie.
»Hatten Sie denn einen schönen Tag?«
»O ja«, antwortete Charmaine kurz und knapp und hoffte, dass die Sache damit beendet war.
»Mein Neffe … Nun, John hat Sie begleitet?«
»Er hat den Kindern zwei Ponys zum Geburtstag geschenkt und sich auch das Picknick ausgedacht.«
»Aha«, sagte Agatha. »Und was haben Sie die lange Zeit über so ganz allein gemacht?«
»Wir waren ganz und gar nicht allein«, entgegnete Charmaine in scharfem Ton. Endlich wusste sie, wohin die Andeutung zielte. »Wir haben uns um drei Kinder gekümmert.«
»In meinen Augen ist das keine qualifizierte Aufsicht, Miss Ryan. Genauso gut hätten Sie die Kinder irgendwo auf der Insel aussetzen können und dann …« Geschickt ließ sie die Worte nachklingen.
Kochend vor Wut holte Charmaine zur Vergeltung aus. »Aber, aber, meine Liebe, also haben Sie es tatsächlich herausgefunden! Wir haben die Kinder zum Spielen im Wald ausgesetzt und den Nachmittag in enger Umarmung verbracht. Entspricht diese Beschreibung Ihren Vorstellungen besser, Mrs. Duvoisin?«
Agatha schnappte nach Luft, und ihr Unterkiefer sackte tiefer herunter als je zuvor. Die übrigen Dinnergäste, allen voran George, glucksten vor Lachen.
Charmaine bedauerte ihre unbedachte Bemerkung auf der Stelle. Was habe ich mir nur dabei gedacht? Guter Gott, an die Folgen darf ich gar nicht denken! Sie errötete und senkte den Kopf. Als das Gelächter abflaute, fasste sie neuen Mut und sah zu George hinüber, dessen Blick ihr applaudierte. Sie lächelte ihm zu. Im selben Moment kam John leise summend ins Speisezimmer.
Er war zwar zwanglos gekleidet, doch die sorgfältig geschneiderte Hose und das weiße Hemd unterstrichen seine männliche Erscheinung. Sein Haar war noch feucht, aber ordentlich gekämmt und ringelte sich über Ohren und Kragen. Als er sich setzte, zwinkerte er Jeannette zu.
Wenig später waren Schritte im Foyer zu hören, und kurz darauf betrat auch Paul das Esszimmer. Charmaines Herz vollführte einen Satz angesichts der guten Figur, die er in Dinnerjackett, schwarzer Hose und blütenweißem Hemd abgab. Auch sein Haar war noch feucht und sorgsam geglättet – bis auf die schwarze Locke, die ihm in die Stirn fiel. Sein Mund wirkte verkniffen, und er blickte finster drein. Charmaine sah zu John hinüber, weil sie das Gefühl hatte, dass er sie beobachtete, doch sein Blick war auf Paul gerichtet.
»Nimm deine Füße von meinem Stuhl«, drohte Paul.
John richtete sich auf und lachte spöttisch.
Als Paul sich gesetzt hatte, wandte sich Agatha an John. »Wie man mir sagte, hast du den Tag mit Miss Ryan verbracht.«
»Man hat es Ihnen gesagt?«, fragte John. »Wer, wenn ich fragen darf? Na, Auntie, heraus mit der Sprache.«
»Es war Rose.«
»Aha …« Er nickte. »Dann hat sie Ihnen sicher auch gesagt, dass ich mit den Kindern Picknick gemacht habe und ihre Gouvernante mich unterstützt hat. Warum unterstellen Sie mir, dass ich den Tag allein mit Miss Ryan verbracht hätte?«
John bemerkte, dass George lachen musste. »Habe ich etwas Komisches gesagt?« Aber George schüttelte nur stumm den Kopf.
»Ich weiß, warum er lacht«, rief Yvette dazwischen, doch ihr Lächeln verschwand, als Charmaine ihr einen warnenden Blick zuwarf.
George öffnete den Mund, aber mehr als ein gebelltes »Autsch!« kam nicht heraus. Er rieb sich das Schienbein, wo Charmaine ihn getreten hatte.
Johns Blick wanderte zu ihr, doch sie setzte
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