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Der Fluss der Erinnerung: Roman (German Edition)

Der Fluss der Erinnerung: Roman (German Edition)

Titel: Der Fluss der Erinnerung: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: DeVa Gantt
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ausmachte.
    Pierre drückte sich mit dem Rücken an Charmaines Busen und Bauch und schnarchte leise. Mit besitzergreifender Geste hielt Charmaines Arm den kleinen Körper umfasst. Ihr Gesicht wirkte entspannt, und ihre Locken ringelten sich über Schultern und Kissen.
    Sie war hübsch, hübscher noch als damals in der Nacht, als er sie zum ersten Mal gesehen hatte, und mit Sicherheit auch begehrenswerter. Ah, my charm , dich hätte ich bestimmt nicht aus dem Bett geworfen . Er betrachtete ihr Gesicht: so unschuldig. Die Versuchung, sich an Pierres Stelle in ihre einladenden Arme zu schmiegen, war groß, aber auch diesen Fehler würde er nicht machen. Charmaine Ryan gehörte zu den Mädchen, die man heiratete, bevor man mit ihnen schlief. Dennoch war es ein wunderbarer Traum. Und der tat niemandem weh, solange es beim Träumen blieb.
    Als ob Charmaine seine Gedanken gehört hätte, seufzte sie plötzlich im Schlaf.
    Erst jetzt merkte John, wie nah er den beiden war, und zog sich geräuschlos zurück. In seinem Zimmer zeugte nur noch ein Hauch des billigen Parfüms von Felicias Anwesenheit. Und die zerknüllten Laken, die sie auf den Boden geworfen hatte.
    In dem Augenblick, als Paul seine müden Glieder auf dem Bett ausstreckte, wusste er, dass er keinen Schlaf finden würde. Und das trotz der vielen Arbeit, die am Morgen nach einem Sturm auf ihn wartete. Aber das Bild der jungen Frau verfolgte ihn: die großen Augen, die um Vertrauen warben, die bebenden Lippen, die seinen Kuss ersehnten, und ihre offenen Locken … Ja, Charmaine Ryan war eine Verführerin, ohne dass ihr das bewusst war. Und er war ein Ochse, jemals etwas anderes geglaubt zu haben! Aber sie hatte ihn bis aufs Blut gereizt, als sie John ihre Verletzlichkeit offenbart hatte. John würde sie nur benutzen, sie nur verletzen.
    Er schüttelte das Kissen auf und drehte sich auf die Seite. Warum berührte ihn das so sehr, dass er keinen Schlaf fand? Bisher hatte ihm noch keine Frau schlaflose Nächte bereitet, aber bisher war er auch immer Herr der Situation gewesen. Aber mit Charmaine war das anders, so völlig anders.
    Es war eigenartig, doch in ihrer Unschuld reizte ihn Charmaine weit mehr als alle erfahrenen Frauen. Er begehrte sie bis zur Verzweiflung, und entsprechend schmerzte es ihn, wenn ihre Begegnungen ständig gestört wurden. Trotz aller Lust musste er sich jedoch eingeste hen, dass ihm Charmaine mehr bedeutete als die einfachen Hausmädchen, die ihm seine einsamen Stunden versüßten. Charmaine war alles andere als einfach. So klug und lebensfroh, wie sie war, würde sie die Leidenschaft jedes Mannes erwidern, solange er sie wirklich liebte.
    Er warf sich von einer Seite auf die andere. Das Wort machte ihn unruhig. Liebe … In seinem Wortschatz kam es nicht vor, um sein Leben nicht unnötig zu verkomplizieren. Er hatte erlebt, was eine Frau mit dem Kopf eines Mannes anrichten, welche Wunden sie seinem Herzen schlagen konnte – und diese Vorstellung lockte ihn überhaupt nicht. Lieber behielt er das Heft in der Hand, probierte die Früchte, die sich ihm boten, und machte sich beizeiten wieder davon.
    Ob ihm eine Kostprobe von Charmaine genügte? Wollte er, dass sie ihm genügte? Wenn er früher überzeugt war, dass eine Eroberung ausreichte, so war er jetzt unsicher und ahnte, dass seine Sehnsucht nach Charmaine nicht so schnell abflauen würde. Im Gegenteil. Er wusste schon jetzt, dass sie ihm besser gefallen würde als alle anderen Frauen vor ihr. War das Liebe? Tief in seinem Inneren ahnte er, dass so etwas möglich war. Aber wie konnte er das wissen, da er doch noch nie geliebt hatte?
    Er musste auch an seinen Bruder denken. Seit Paul um Charmaines Aufmerksamkeit buhlte, erschien sie ihm noch viel verlockender. Er hätte sie damals in der Nacht verführt, wenn ihn die Ankunft seines Bruders nicht gestört hätte. Damals hatte das Spiel begonnen. Heute Abend hatte er wegen John die Geduld verloren. Das durfte sich nicht wiederholen.
    Paul war überzeugt, dass Charmaine sich von Menschen wie John nicht angezogen fühlte, ganz gleich, wie gut er seine Karten auch ausspielte. Früher oder später würden seine Spielchen sie abschrecken. Dann musste John aufgeben. Ja, auf Dauer war John der Verlierer. Wie immer. Falls er noch immer nicht begriffen haben sollte, wer am Ende alles bekam, wollte Paul seine allerletzte Karte ausspielen. Es war immer dasselbe Spiel, und seit ihrer Kindheit hatte John kein einziges Mal gewonnen. Er musste sich nur

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