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Der Fluss der Erinnerung: Roman (German Edition)

Der Fluss der Erinnerung: Roman (German Edition)

Titel: Der Fluss der Erinnerung: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: DeVa Gantt
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Zwischen Daumen und Zeigefinger hielt er ein zerknülltes Taschentuch mit Pauls Initialen. Wortlos riss Paul es ihm aus den Fingern und ließ es in seiner Hosentasche verschwinden.
    »Bring Charmaine nicht sooft zum Weinen, Paulie. Eine solche Kostbarkeit willst du doch wohl nicht verlieren.«
    »Das habe ich durchaus nicht vor.« Johns Grinsen reizte Paul mehr als alle Worte. »Wenn du jetzt sogar Pierre für deine Pläne benutzt, erreichst du gar nichts. Oder das Gegenteil«, fügte er hinzu.
    Einen Moment lang war John irritiert, aber dann lachte er in sich hinein. »Was ist los mit dir, Paulie? Hast du Angst, dass du nicht mithalten kannst?«
    »Lass sie nur einfach in Ruhe«, drohte Paul, »oder ich sehe mich gezwungen …«
    »Wozu, Paulie? Willst du etwa Vater erzählen, dass sein böser Sohn ein Auge auf die Gouvernante geworfen hat? Ich fürchte, das kann mit meinen anderen Verfehlungen nicht mithalten.«
    »Es gibt noch andere Möglichkeiten, lieber Bruder«, entgegnete Paul. »Lass es dir nur als Warnung dienen.«
    Aber John gähnte nur und stieg an seinem Bruder vorbei die Treppe zum Nordflügel empor. Paul wählte die andere Seite, doch gerade als er die Hand auf seinen Türknauf legte, tönte Johns Stimme durch die Stille. »Pass auf, wenn du die Tür aufmachst. Vor einer Stunde hat es in deinem Zimmer noch entsetzlich gestunken.« John lachte in sich hinein und betrat sein Zimmer.
    Aber dort stank es wirklich, und zwar nach billigem Parfüm. Mit einladendem Lächeln lag Felicia in seinem Bett und presste die Decke gegen ihre Brust. Als sie sich aufsetzte, um die Nadeln aus den Haaren zu ziehen, glitt ihr die Decke bis zur Taille herab und enthüllte für Sekunden die großen Brüste, bis die schwarze Haarpracht sie wieder verhüllte.
    Ohne die Frau auch nur eine Sekunde aus den Augen zu lassen, ging John auf sie zu. Sie schüttelte ihre Mähne und ließ ihn erneut ihre Vorzüge sehen. »Guten Abend, Master John«, hauchte sie.
    Mi t angehaltenem Atem sah er zu, wie sie die Hände in den Nacken legte, verführerisch ihr Haar in die Höhe hob und ihm alles darbot, was sie zu bieten hatte. Er trat noch einen Schritt näher. »Hast du dich vielleicht im Zimmer geirrt, Felicia?« Er versuchte, ihre aufregende Pose zu übersehen, und ärgerte sich über sich selbst, dass er tatsächlich in Versuchung geriet. In jüngeren Jahren hätte er nicht lange überlegt. Doch seit ihm das Leben einige Lektionen erteilt hatte, lernte sogar er aus seinen Fehlern.
    »Ich habe solche Angst vor dem Sturm.« Das Mädchen zog eine Schnute und kicherte ein wenig. »Ich habe gehofft, dass Sie mich beschützen.«
    Johns Miene verfinsterte sich. Aus dem Augenwinkel sah er sich um und entdeckte ihre Kleidung auf einem entfernt stehenden Stuhl. Mit drei Schritten war er dort, packte die Sachen und warf sie aufs Bett. Felicia zuckte zusammen. »Es tut mir leid, dich zu enttäuschen. Aber ich verspüre keine Lust, ein furchtsames Hausmädchen vom Sturm abzulenken.«
    »Ich dagegen würde Sie gern ein wenig ablenken«, schnurrte sie.
    »Danke, Felicia, aber solch billige Unterhaltung ist nicht nach meinem Geschmack. Pauls Zimmer ist ja nicht weit von hier. Vielleicht hat er Interesse. Nur eine kleine Warnung am Rande: Wenn er eine Frau satthat, lädt er sie nur selten ein zweites Mal in sein Bett ein.«
    Die offenen Worte verletzten sie, und sie verstummte.
    »Ich verlasse jetzt das Zimmer, und wenn ich in fünf Minuten zurückkomme, bist du fort. Wenn nicht, müsste ich dich gewaltsam hinauswerfen, und der Lärm würde das ganze Haus alarmieren. Diese Blamage willst du dir doch sicher ersparen, oder nicht?«
    Im Kinderzimmer war es ruhig und friedlich. Außer dem regelmäßigen Atmen der Kinder waren die Geräusche des Sturms nur entfernt zu hören. John trat näher an die Betten und sah auf seine Schwestern hinunter. Dann wanderte sein Blick zu Pierres Bett, doch bis in diese Ecke des Raums reichte der schwache Lampenschein nicht. Leise schlich John hinüber und tastete mit der flachen Hand über die Decke, tastete nach einer Schulter oder dem Kopf. Aber das Bett war leer. Besorgt drehte er sich um. Vielleicht lag Pierre ja bei einem der Mädchen? Aber sein erster Blick hatte ihn nicht getäuscht. Die Zwillinge waren allein.
    Vermutlich hat sich der Junge bei Charmaine verkrochen, dachte er. Leise trat er an die offen stehende Tür und war erleichtert, als er im flackernden Lichtschein zwei Körper auf dem großen Bett

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