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Der Fotograf

Der Fotograf

Titel: Der Fotograf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Katzenbach
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warf ihm noch eine Aufnahme hin.
    Er legte die drei nebeneinander und sah sie sich eingehend an.
    »Ich kapier das nicht, auch die hier ist …«
    Sie schleuderte ihm das nächste Bild hin.
    Er schaute es an und lehnte sich langsam zurück.
    Sie keuchte wie auf den letzten Metern eines Dauerlaufs.
    Wieder knallte sie ein Foto hin, dann noch eins, und noch eins, bis sie dem Bruder den gesamten Stapel auf den Schoß geworfen hatte.
    »Sie kapieren nicht? Sie kapieren nicht? Sie kapieren nicht?«, wiederholte sie bei jedem neuen Bild.
    Martin Jeffers sah sich mit wilden Blicken um, als suchte er verzweifelt nach einem Halt.
    »Und jetzt noch einmal«, befahl sie und legte ihre ganze aufgestauteWut in ihre Worte. »Wo ist er? Wo ist Ihr Bruder? Wo? Wo? Wo?«
    Martin Jeffers legte den Kopf in die Hände.
    Sie sprang zu ihm und riss ihn unsanft an der Schulter zurück.
    »Wenn Sie heulen, bringe ich Sie um«, drohte sie böse. Sie wusste nicht, ob sie es ernst meinte oder nicht, sie wusste nur, dass sie die Vorstellung nicht ertrug, dass der Bruder auch nur eine Träne für sich selbst, für Douglas Jeffers oder für irgendjemanden sonst vergoss außer für die Menschen, deren letzte Zeugnisse sie auf seinem Schoß gestapelt hatte.
    »Ich weiß es nicht!«, stöhnte er mit einer Stimme, die unter dem Stress nachgab.
    »Sie wissen es!«
    »Nein!«
    Sie starrte ihn an. Er starrte die Fotos an.
    In ihrem Ton schwang mühsam beherrschter Zorn. »Werden Sie ihn suchen?«
    Jeffers zögerte, während ihm zwei Antworten im Kopf widerhallten.
    »Ja«, sagte er schließlich. »Vielleicht. Ich kann es versuchen.« Sie sackte in den Sessel. In dem Moment hätte sie am liebsten selbst geweint.
    Stattdessen saßen sie einander einfach nur gegenüber und starrten auf eine Stelle zwischen ihnen.
     
    Als das erste Morgenlicht ins Zimmer drang, hockten sie immer noch stumm inmitten der Fotostapel. Martin Jeffers fand, obwohl am Boden zerstört, als Erster Worte:
    »Ich nehme an, Sie werden jetzt Ihre Vorgesetzten anrufen und ihnen sagen, womit Sie es Ihrer Meinung nach zu tun haben …«
    »Nein«, widersprach Detective Barren.
    »Nun ja, vielleicht sollten wir uns an das FBI wenden«, fuhr Jeffers fort, als hätte er ihre Weigerung nicht gehört. »Die haben eine Dienststelle in Trenton, und ich kenne ein paar von ihren Agenten. Ich denke, die sind in der Lage, bei der Suche zu helfen …«
    »Nein«, wiederholte sie.
    Jeffers sah sie an. In ihm stieg blanke Wut auf. Er versuchte, sich eine Bemerkung zu verkneifen, doch Erschöpfung und Angst lösten seine Zunge.
    »Hören Sie, Detective, falls Sie glauben, ich würde Ihnen dabei helfen, meinen Bruder zu jagen, damit Sie Ihre persönliche Vendetta bekommen, haben Sie sich getäuscht! Schlimmer noch, dann sind Sie verrückt! Vergessen Sie’s und machen Sie, dass Sie rauskommen!«
    Detective Barren sah Martin Jeffers an.
    »Sie verstehen nicht«, entgegnete sie ruhig.
    »Nun, Detective, wie’s aussieht, sind Sie ganz groß darin, mir mit dieser Scheißwaffe im Gesicht herumzufuchteln …« Er war selbst überrascht, diese Worte aus seinem Mund zu hören.
    »Aber Sie sind nicht gerade mitteilsam, wenn es um Einzelheiten geht. Falls mein Bruder Verbrechen begangen hat, dann gibt es klare Verfahrensweisen, um sie zu untersuchen …«
    Er hatte das unheimliche Gefühl, als hätte er diese Worte schon einmal gesagt und ebenso vergeblich wie jetzt.
    »Es geht nicht«, gab sie zurück. Ihre Niederlage war der blanke Hohn.
    »Und wieso verdammt noch mal nicht?«
    »Wegen mir.«
    Sie seufzte tief und fühlte sich plötzlich körperlich wie geistig vollkommen am Ende. Martin Jeffers beobachtete sie und begriff sofort, dass etwas in Schieflage geraten war, etwas waranders, als es sein sollte. Mühelos wechselte er in seine berufliche Rolle und wartete geduldig und stumm in der Gewissheit, dass die Erklärung irgendwann folgen würde.
    Das erste blasse Morgenlicht sickerte herein.
    »Wegen mir«, wiederholte die Polizistin.
    Sie holte tief Luft.
    »Ich bin die Beste, wissen Sie? Immer gewesen. Ein einziges Mal habe ich einen Fehler gemacht und davon eine Narbe als Andenken zurückbehalten. Aber das war alles. Ich hab’s überlebt. Ich bin wieder gesund geworden. Danach habe ich keine Fehler mehr gemacht. Egal bei welchem Fall, ich war immer die Beste. Ob es um Informationsbeschaffung ging, um Beweismaterial, um Verhaftungen, einfach alles! Ich lag immer richtig. Es hat immer gestimmt. Hieb- und

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