Der Fotograf
diesmal richtig gründlich. Dann denken Sie eine Weile darüber nach und schlagen mir einen Kompromiss vor.«
Er antwortete prompt.
»Wir finden ihn, nehmen ihn gefangen, konfrontieren ihn damit und erzwingen ein Geständnis.«
»Einen Teufel werden wir tun.«
»Detective, ich habe einige Erfahrung mit Menschen, die Serienverbrechen begehen. Fast ausnahmslos wollen sie sich mit dem, was sie getan haben, brüsten …«
Er verstummte plötzlich. Mein Gott!, dachte er, die Rede ist von Doug!
Er stand auf und taumelte durchs Zimmer, als sei er von der Erinnerung betrunken.
»Das ist verrückt, wissen Sie …«
»Ich glaube, das hatte ich bereits eingestanden«, sagte sie.
»Ich meine, es geht hier immerhin um meinen Bruder! Er ist einer der Besten seiner Zunft! Er ist Fotojournalist. Er ist Künstler. Er kann das unmöglich getan haben! Das sieht ihm nicht ähnlich! Er war nie gewalttätig …«
»Wirklich nicht?«
Sie sahen einander an.
Beide wussten, dass sich Verleugnung, Unglaube, Angst und Verwirrung über den Raum gebreitet hatten. Detective Mercedes Barren kam ein Gedanke: Das hier ist meine einzige Chance. Er wird nie in seine Wohnung zurückkehren. Er wird verschwinden. Er wird irgendwo wie vom Erdbodenverschluckt sein und nie wieder auftauchen. Wenn mir der Bruder nicht hilft, finde ich ihn nie.
Sie schluckte schwer und zwang sich dazu, die Verzweiflung und Empörung zu verbergen, die ihr in den Adern pochte.
Martin Jeffers sah Detective Barren an und versuchte ebenfalls, seine Gefühle hinter einer Maske zu verstecken. Ich muss diese Frau im Auge behalten, überlegte er, sonst begibt sie sich auf ihren eigenen mörderischen Kriegspfad.
Und dann kam ihm ein noch schlimmerer Gedanke: Ich muss selbst herausfinden, was Doug getan hat.
Er fühlte sich plötzlich auf Gedeih und Verderb mit dieser Kriminalistin zusammengeschweißt, auch wenn sie seinen Bruder aus gänzlich anderen Motiven jagen würde als er.
Schließlich sagte er brüsk: »Falls ich Ihnen helfe, ihn zu finden, damit wir die Sache auf vernünftige Weise aufklären, müssen Sie mir etwas versprechen.«
»Was?«
Martin Jeffers setzte an, überlegte es sich aber. Er war sich nicht sicher. Er holte tief Luft.
»Versprechen Sie mir, nicht als Erste zu schießen. Versprechen Sie mir, dass Sie sich anhören werden, was er zu sagen hat. Versprechen Sie mir einfach, verdammt noch mal, dass Sie ihn nicht erschießen werden! Er ist mein Bruder, vergessen Sie das nicht! Andernfalls vergessen Sie’s.«
Sie ließ sich mit der Antwort Zeit. Statt hastig zuzustimmen, wollte sie den Eindruck erwecken, als dächte sie ernsthaft darüber nach.
»Also, so viel kann ich Ihnen versprechen: Ich gebe zuerst Ihnen eine Chance. Danach, nun ja, was immer danach geschehen mag.«
Sie sagte das in festem, selbstbewusstem Ton.
Es war, wie sie sehr wohl wusste, von vorne bis hinten gelogen.»Meinetwegen«, stimmte er in verhalten dankbarem Ton zu. »Das scheint mir fair.«
Er traute ihr keine Sekunde.
Sie waren nicht so töricht, den tödlichen Deal, auf den sie sich eingelassen hatten, mit Handschlag zu besiegeln. Stattdessen verharrten sie beide in ihren Sesseln, starrten geradeaus und harrten der Dinge, die da kommen mochten.
Das helle Morgenlicht brachte etwas Vernunft und Klarheit in ihre Gedanken.
Detective Barren brach schließlich das Schweigen mit einer Frage zum weiteren Vorgehen:
»Also«, begann sie ohne Umschweife, »wo fangen wir an? Was hat er Ihnen über das gesagt, was er vorhat?«
»Er hat mir nicht viel verraten. Er hat nur erzählt, er ginge auf eine empfindsame Reise. So hat er sich ausgedrückt. Ich hab daraufhin gesagt, dass wir eigentlich nicht viel Grund hätten, über irgendetwas empfindungsreich zu werden.«
»Er muss noch mehr gesagt haben.«
Martin Jeffers schloss für einen Moment die Augen und rief sich seinen Bruder ins Gedächtnis, wie er grinsend in der Anstaltskantine saß.
»Er wollte alten Erinnerungen nachgehen. Was für welche, hat er nicht erwähnt.«
»Und? Was glauben Sie?«
»Ich bin nicht sicher.«
»Müssen Sie auch nicht.«
Jeffers schwieg und überlegte.
»Nun ja, wenn wir annehmen, das alles hier wäre wahr« – er deutete mit einer vagen Handbewegung auf die Fotos –, »dann könnte er zweierlei Erinnerungen im Auge gehabt haben. Die ersten wären offensichtlich die Erinnerungen aus unsererKindheit. Die zweite Gruppe bezöge sich natürlich auf diese …« – er wusste nicht weiter –
Weitere Kostenlose Bücher