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Der Fotograf

Der Fotograf

Titel: Der Fotograf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Katzenbach
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gegeben?«
    Der Sergeant sah sich das Bild an.
    »Nein, wüsste nicht, dass ich den schon mal gesehen hätte. Soll ich Kopien machen und sie bei der Diensteinsatzbesprechung verteilen lassen? Wenn der Kerl gesucht wird, sollten wir das wissen. Was meinen Sie?«
    Detective Barren dachte fieberhaft über das Angebot nach. Nein, beschloss sie. Der gehört mir.
    »Nicht nötig«, versicherte sie laut. »Im Moment brauchen wir ihn nur für eine Befragung, und ich hab nicht genug gegen ihn in der Hand, um ihn zu verhaften. Ich bin noch bei den Befragungen, wissen Sie.«
    Der Sergeant nickte. »Ganz, wie Sie wollen«, meinte er. »War nur ein Angebot.«
    »Das ich zu schätzen weiß«, erwiderte sie.
    Er lächelte.
    »Und jetzt«, fuhr der Sergeant fort, »zu dieser alten Wache. Es hat sogar mehrere gegeben. Bis in die Sechziger hinein waren wir so was wie mehrere kleine Städte nebeneinander. Es wimmelte von Revieren. Dann wurden sie in diesem neuen Prachtbau hier zusammengefasst …« Er machte eine ausladende Handbewegung, bevor er weitersprach. »Die meisten hat man abgerissen. Eins wurde zu einem Gebäude mit Anwaltskanzleienumfunktioniert – die Wache in der Nähe des Gerichts. Ich glaube, aus einer haben sie Eigentumswohnungen gemacht. Die liegen am anderen Ende der Stadt, auf der vornehmen Seite …« Er lachte. »Manchmal denke ich, das ist unser aller Los, wenn wir mal nicht mehr sind. Wir werden in Eigentumswohnungen umgewandelt, irgendwo im Himmel.« Er lachte wieder, und Jeffers wie Detective Barren grinsten. Vielleicht war da etwas dran.
    »Welche war denn die Hauptwache? Die größte?«, wollte Jeffers wissen.
    »Das war die gegenüber vom Gericht.«
    »Und wie kommen wir dahin?«
    »Übertreten Sie das Gesetz.«
    »Wie bitte?«
    »Nur ein kleiner Scherz. Wie Sie vor Gericht kommen – indem Sie das Gesetz übertreten … Wie gesagt, nur ein kleiner Scherz. Diese Straße sechs Häuserblocks weiter, dann rechts auf den Washington Boulevard. Dann sind Sie schon fast da.«
    Sie bedankten sich und gingen.
    »Fahren wir erst mal langsam daran vorbei«, schlug Detective Barren vor.
    Jeffers nickte zustimmend. »Anwaltskanzleien. Passt irgendwie. So was wie Recycling.«
    Sie lächelte.
    »Noch ein kleiner Scherz«, grinste er.
    Sie fanden das Gebäude mühelos. Jeffers schwieg einen Moment, als er es vor Augen hatte.
    »Die Fassade scheint unverändert zu sein«, meinte er schließlich. Sie hatte das Gefühl, dass sein Ton plötzlich aufgesetzt entschlossen klang, als könnte eine feste Stimme ihm Kraft verleihen. Er parkte vor dem Gebäude und starrte durch dieScheibe. »Es war windig und dunkel, und es hat geregnet«, entsann er sich. »In meiner Erinnerung sah es damals bedrohlich und hoffnungslos aus, so als müsste es eine Inschrift über dem Eingang geben: ›Lasst, die ihr eintretet, alle Hoffnung fahren …‹«
    Ohne auf Detective Barren zu warten, sprang er mit einem Satz aus dem Wagen und marschierte die breite Eingangstreppe hoch. Er stand an der Tür und zog am Knauf.
    »Abgeschlossen. Wir haben Sonntag, und die Büros sind geschlossen.«
    Sie sah ihn an.
    »Gott sei Dank«, seufzte er. Er zitterte ein wenig. »Wissen Sie, was das für ein Gefühl ist, als Kind ganz allein zu sein? Kinder haben eine wunderbare Anpassungsfähigkeit, wenn es um konkrete Ängste geht, zum Beispiel Schmerzen, eine Krankheit oder einen Todesfall. Wirklich beängstigend ist nur das Unbekannte für sie. Sie verfügen über keinen Erfahrungsschatz, sie wissen nicht, wie die Dinge laufen, und so fühlen sie sich vollkommen ausgeliefert. Wissen Sie, was ich von der Nacht noch in Erinnerung habe? Im Prinzip alles, und das erschreckend deutlich. Ich weiß noch, dass meine Schuhe zu eng waren und ich ein neues Paar brauchte; ich dachte, ich würde es nie bekommen. Wie sollte ich ohne Schuhe jemals groß werden? Ich weiß, wie ich dasaß und dringend aufs Klo musste, so sehr, dass es wehtat, aber ich hatte zu große Angst, es jemandem zu sagen. Ich begriff nur, dass ich nicht von dieser Bank aufstehen durfte, wo wir warten sollten. Doug hat sich um mich gekümmert. Irgendwie wusste er Bescheid. Als ich klein war, hatte ich immer das Gefühl, als wüsste er, was in meinem Kopf vorgeht, bevor ich es selbst ahnte. Vermutlich schreiben alle jüngeren Geschwister dem großen Bruder solch magische Fähigkeiten zu. Wahrscheinlich konnte ich nurnicht stillsitzen. Jedenfalls ist er mit mir zur Toilette ge gangen. Und er hat gesagt, er würde

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