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Der Fotograf

Der Fotograf

Titel: Der Fotograf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Katzenbach
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bereitete ihr Probleme. Sie konnte nur durch die Nase atmen, die er blutig geschlagen hatte, so dass ihr bei jedem Atemzug geronnenes Blut und Schleim die größten Schwierigkeiten machten. Zuerst hatte er sie geknebelt, dann ihren Kopf heftig zurückgezogen und das Tuch in ihrem Nacken fest verknotet, ohne darauf zu achten, was er tat. Dann hatte er ihr ein graues Klebeband quer über den Mund geklebt. Es stank nach Chemie, und sie hatte Angst, sich zu übergeben.
    Sie wusste, das konnte ihr Ende bedeuten. Wenn sie sich vor Schmerz, Angst und Panik erbrach, dann konnte sie daran ersticken. Sie war verblüfft, als ihr klar wurde, dass sie die Gefahr, in der sie sich befand, sehr genau einschätzen konnte, und trotz der Nebelschleier, die die Qual über ihr Bewusstsein legte, musste sie daran denken, welche Wegstrecke sie schon zurückgelegt hatten und wie viel mehr sie begriff. Bei dem Gedanken kroch ihr erneut Angst den Rücken hoch. Nachdem sie diesen Alptraum bis hierher überlebt hatte, fühlte sie sich äußerst verletzlich. Sie wies den Gedanken, dass er sie jetzt töten wollte, energisch zurück.
    Anne Hampton wusste nicht, weshalb Douglas Jeffers sie in dieser Nacht geschlagen und gefesselt hatte, doch wirklich überrascht war sie nicht.
    Vermutlich lag es daran, dass ihm die Ermordung der beiden jungen Frauen vereitelt worden war. Doch sie hatte ihn nicht wiedererkannt. Er hatte der blanken Wut freien Lauf gelassen.
    Irgendwie hatte sie gewusst, was kommen würde.
    Er war mürrisch und ohne ein Wort von der Rennbahn weggefahren, und sein Schweigen war schlimmer gewesen als sein übliches Monologisieren. Trotz der Dunkelheit war er an New York vorbeigefahren, bis sie um Mitternacht die Gegend von Bridgeport, Connecticut, erreichten. Dort hatte er ein mieses Quartier wie üblich gefunden, sich bei einem unrasierten Nachtconcierge eingetragen, kaum ein Wort mit ihm gewechselt und wie immer bar bezahlt. Kaum war die Tür hinter ihnen geschlossen, hatte er sich auf sie gestürzt und sie mit der flachen Hand geschlagen, so dass sie quer durchs Zimmer flog. Bei den ersten Hieben hatte sie schützend die Arme hochgehoben, doch schließlich hatte sie sich gefügt und die Prügel eingesteckt, die er austeilen wollte.
    Ihre Passivität hatte ihn vielleicht enttäuscht, doch fast so schnell, wie sie seine Schläge trafen, durchfuhr sie der Gedanke, dass sie die Stelle der beiden Frauen einnehmen könnte, falls sie sich wehrte. Sie waren mit dem Leben davongekommen, und sie wollte nicht hier und jetzt deren Glück mit ihrem eigenen Leben bezahlen.
    Und so sank sie zu Boden, hielt nur zaghaft die Arme vor sich und ließ sich von ihm verprügeln.
    Es war wie ein Anfall gewesen, ein Krampf, kurz und entsetzlich, doch schnell vorbei. Dann hatte er sie verächtlich in eine Ecke geschleift, wo sie zwischen der Wand und den durchgelegenen Betten des Motelzimmers kauerte. Sie hatte nicht gesehen, wie er die Stricke geholt hatte, doch plötzlich hatte er sie niedergeworfen, und sie hatte gespürt, wie sich die Fesseln schlangengleich fest um sie legten. Gleich darauf folgte der Knebel. Sie hatte hochgeschaut und versucht, seine Augen zu sehen, um zu begreifen, was passierte, doch vergeblich. Er hatte ihr einen letzten gereizten Stoß versetzt und ohne eine Erklärung, mit der vagen Versprechung: »Ich komme wieder«, das Motel verlassen.
    Die meiste Angst machte ihr der Strick. Seit ihrem ersten Tag hatte er ihn nicht mehr benutzt, und sie fürchtete, dass dies eine schreckliche Veränderung in ihrer Beziehung signalisierte. Sie war wieder sein Besitz und nicht mehr, so seltsam das auch klang, so etwas wie seine Partnerin. Sie hatte ihre Identität, ihre Bedeutung verloren. Wenn sie für ihn nicht mehr wichtig war, dann würde er sich ihrer entledigen, und ihr war sehr wohl bewusst, dass der Euphemismus für etwas anderes stand. Sie erkannte, dass die Situation äußerst gefährlich für sie geworden war. Boswell würde er nicht so schnell töten, eine namenlose, gesichtslose, gefesselte und geknebelte Frau, die ihm lästig fiel und ihn an einen Fehlschlag erinnerte, dagegenschon, und zwar ohne mit der Wimper zu zucken. Sie suchte, so gut sie konnte, das Zimmer mit ihren Augen ab. Sie sah eine alte Frisierkommode, einen Spiegel und zwei Betten mit billigen, verblichenen, braunen Korddecken darauf, und sie musste daran denken, dass es ein erbärmlicher Ort zum Sterben war.
    Sie hatte Vicki und Sandi vor Augen, die sich nur

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