Der Fotograf
Windjacke, ein Pullover und ein Sweatshirt dabei; außerdem zwei Seidenblusen, eine davon in einem leuchtenden Blumenmuster, und ein passender Rock; schließlich ein Seidenkleid mit einem Designer-Label. In einem Fach befand sich ein Knäuel Wäsche, in einem weiteren Strümpfe und Socken.
»Zieh die Jeans an«, schlug der Mann vor. »Oder die Khakihose, wenn dir das lieber ist.« Er drehte sich um und reichte ihr zwei Schuhkartons. Sie wusste nicht, wo er sie aufbewahrthatte. Sie enthielten ein Paar elegante Sandaletten und ein Paar Laufschuhe. »Pack die Sandaletten ein«, wies er sie an.
Er sah zu, wie sie sich ankleidete.
»Du bist hübsch«, stellte er fest, als sie vor ihm stand.
»Danke.« Sie hatte das Gefühl, die Stimme einer anderen zu hören. Einen winzigen Moment lang fragte sie sich, wer plötzlich hereingekommen sein könnte, bis sie merkte, dass sie selbst gesprochen hatte.
Er reichte ihr eine Papiertüte mit dem Namen einer Drogerie. Sie machte sie auf und entdeckte Zahnbürste und -pasta, etwas Make-up, eine Sonnenbrille und eine Schachtel Tampax. Sie nahm die blaue Verpackung und starrte sie mit einem seltsamen Gefühl an. Ein beunruhigender Gedanke machte sich bei ihr breit, je länger sie darauf starrte.
»Ich habe aber meine …« Sie verstummte.
»Könntest du aber, bevor wir fertig sind«, antwortete er.
Sie hätte weinen können, erkannte aber, dass sie sich besser zusammenreißen sollte. So biss sie sich auf die Lippe und nickte.
»Mach dich frisch, dann gehen wir.«
Zögernd ging sie ins Bad. Zuerst putzte sie sich die Zähne. Dann tupfte sie vorsichtig ein wenig Make-up auf ihr Gesicht, um die Blutergüsse zu verdecken. Er stand im Türrahmen und sah zu.
»Die sind in ein, zwei Tagen verblasst.«
Sie erwiderte nichts.
»Fertig?«, fragte er.
Sie nickte.
»Geh zuerst noch mal aufs Klo. Wir sind eine ganze Weile unterwegs.«
Sie fragte sich, wo ihre Scham geblieben war. Wieder hatte sie das Gefühl, dass nicht sie selbst, sondern jemand anders sichauf die Toilette setzte, während der Mann ihr zusah. Ein Kind vielleicht.
»Trag deine Tasche selbst«, befahl er.
Sie steckte die Zahnbürste und die anderen Toilettenartikel in eins der Fächer. Dann hob sie die Tasche hoch. Die hatte einen Schulterriemen, den sie sich über den Arm legte. »Ich kann noch was nehmen«, bot sie an.
»Hier, aber sei vorsichtig.«
Er reichte ihr eine zerbeulte Fotografentasche und hielt ihr die Tür auf.
Anne Hampton trat in die Nacht hinaus und spürte, wie ihr die abendliche Wärme von Florida in Muskeln und Knochen kroch. Sie fühlte sich schwindelig und zögerte. Der Mann legte ihr eine Hand auf die Schulter und deutete auf einen dunkelblauen Chevrolet Camaro, der vor der kleinen Moteleinheit stand. Sie sah einen Moment in den sternenübersäten Himmel; sie suchte den Großen und den Kleinen Bären und dann den Orion. Ein plötzliches Gefühl der Wärme durchrieselte sie, als mischte sie sich mitten unter die Himmelskörper und ginge in ihrer Masse auf. Sie fixierte einen Stern, einen unter unzähligen, der im dunklen All zu schweben schien. Ich bin dieser Stern, und er ist ich, dachte sie. Allein, isoliert hing sie in der Nacht.
»Komm schon«, drängte der Mann. Er war seitlich an den Wagen getreten und hielt ihr die Tür auf.
Sie ging zu ihm hinüber.
»Es ist eine schöne Nacht«, meinte sie.
»Es ist eine schöne Nacht, Doug«, korrigierte er sie.
Sie sah ihn mit fragendem Blick an.
»Sag es.«
»Es ist eine schöne Nacht, Doug«, wiederholte sie.
»Gut. Nenn mich Doug.«
»In Ordnung.«
»Ich heiße so. Douglas Jeffers.«
»In Ordnung. In Ordnung, Doug. Douglas. Douglas.«
Er lächelte. »Das gefällt mir. Eigentlich mag ich Douglas lieber als Doug, aber du kannst mich nennen, wie du willst.«
Sie musste irritiert geguckt haben, denn er lächelte und erklärte: »Das ist mein richtiger Name. Du musst wissen, dass ich dich nicht belüge. Ich werde immer die Wahrheit sagen, oder was man eben dafür hält.«
Sie nickte. Sie zweifelte nicht einen Augenblick daran. Einen Moment lang fragte sie sich, wieso, doch dann schüttelte sie den Gedanken ab.
»Es gibt allerdings ein Problem«, überlegte Douglas Jeffers. Seine Stimme hatte plötzlich einen düsteren Unterton, der ihr Angst machte.
»Nein, nein, nein, keine Probleme«, entgegnete sie hastig.
Er sah in den Himmel. Sie vermutete, dass er angestrengt nachdachte.
»Ich finde, du brauchst einen neuen Namen«, erklärte
Weitere Kostenlose Bücher