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Der Fotograf

Der Fotograf

Titel: Der Fotograf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Katzenbach
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Waffe finden könnte. Oder den eigentlichen Tatort. Solche Orte verraten fast immer etwas über die Persönlichkeit des Täters. Im Geist ging sie sämtliche forensischen Tests durch, die an Susans Leiche vorgenommen worden waren. Wenn ich nur einen Anhaltspunkt hätte, würde ich vielleicht etwas finden. Wieder dachte sie an die Strumpfhose, und ihr kam eine Idee.
    Sie stand auf, machte auf dem Absatz kehrt und lief zum Wagen zurück.
    Sie merkte, dass sie von einem kleinen Mädchen beobachtet wurde.
    Das Kind hatte blondes Haar und einen offenen, schelmischen Blick. Sie trug einen Klein-Mädchen-Bikini, und Detective Barren musste darüber schmunzeln. Das Kind schleckte eine Tüte Vanilleeis, das schmolz und an ihren Mundwinkeln herunterlief, so dass es ihr schüchternes Grinsen umrandete. Detective Barren winkte, und das kleine Mädchen winkte scheu zurück, bevor es kehrtmachte und wegrannte. Traueniemandem, dachte Detective Barren, als sie die Kleine im Schatten der Bäume Richtung Strand und Spielplatz verschwinden sah.
    Werde erwachsen und traue niemandem.
     
    Schon immer hatte sie die Besuche im Leichenschauhaus gehasst – nicht so sehr wegen der Leichen, die dort seziert wurden, sondern wegen des grellen Lichts, in dem die Räume gespenstisch wirkten. Das Licht schien sich auf seltsame Weise mit den Gerüchen von Formaldehyd und Desinfektionsmitteln zu vermischen, die bis in den letzten Winkel drangen. Für sie war der Tod eher etwas Dunkles und Persönliches, das Gegenteil der Atmosphäre im Leichenschauhaus, wo ein ständiges Kommen und Gehen herrschte. Sie sah aus einigem Abstand zu, wie der Gerichtsmediziner einer aufgeschnittenen Leiche verschiedene Organe entnahm, während er seinen Befund mittels des über dem OP-Tisch angebrachten Mikrophons auf Tonband diktierte. Er sprach monoton, bis er etwas fand, das ihn interessierte, seine Stimme sprang um eine Oktave in die Höhe, so dass er wie ein kleiner Junge klang. Sie sah, wie der Mann in der klaffenden Höhlung wühlte, bis er schließlich aus der blutigen Masse einen kleinen Gegenstand her ausschälte und ans Licht hielt, während er in entzücktem Singsang rief: »Sehen Sie, Detective, wie winzig der Tod sein kann?«
    Sie antwortete nicht, und er ließ den Gegenstand in einen Probenbehälter fallen. »In linker Kranzarterie, auf einer Höhe von zirka drei Zentimetern Geschossfragment, fast intakt, augenscheinlich Kaliber zweiundzwanzig oder fünfundzwanzig. Dies war Todesursache … Der Einschuss hat die Arterie zerfetzt, massiven Blutverlust, Schock und Herzstillstand verursacht.«
    Über die Schulter hinweg warf er Detective Barren einen Blick zu.
    »Mit anderen Worten, es hat ihn in der Pumpe erwischt … die Jungs von der Presse lieben diese Schusswechsel mit Maschinenpistolen, Gewehren und all diesem spektakulären Fernsehkram. Aber ein paar Dinge haben sich in zwanzig Jahren nicht geändert. Wenn Sie jemanden wie ein cooler Profi umbringen wollen, dann feuern Sie ihm aus nächster Nähe eine kleinkalibrige Magnum-Ladung direkt ins Herz. Oder falls Sie ein bisschen Abwechslung wünschen, direkt hier, an der Schädelbasis …« Er tippte sich mit dem Zeigefinger an den Hinterkopf. »Es macht pop, und Ihr Mann hat die längste Zeit gelebt. Oder Ihre Frau. Kein großer Aufwand, keine Schweinerei. Niemand, der sich wegducken kann. Keine unschuldigen Passanten, die in die Schusslinie geraten. Keine Explosionen. Und aus meiner Sicht ein großer Vorteil. Ein kleines Loch, genau hier …« Er pochte sich auf die Brust, und das Geräusch schien in dem kleinen Raum nachzuhallen. »Eine Uzi oder Ingram richtet eine gewaltige Sauerei an. Das hat keine Klasse. Absolut keine Klasse.«
    Er wandte sich wieder der Gestalt auf seinem Stahltisch zu.
    »Das ist meine Art von Mord. Kein Zweifel. Einfach, direkt und zielführend, wenn Sie so wollen, danke, Madam.«
    Er schüttelte den Kopf und sah Detective Barren an. »Hab gehört, Sie haben sich aus gesundheitlichen Gründen beurlauben lassen. Was führt Sie her?«
    »Ich muss mit Ihnen über …«
    »… Ihre Nichte reden, stimmt’s?«
    »Ja.«
    »Und, was wollen Sie mich fragen?«
    Der Mediziner sah zu einem der Gehilfen hinüber, der eine verhüllte Leiche wieder in einen Kühlcontainer schob.
    »He, Jesús! Hol mir mal die Akte achtundsechzig Strich eins elf vier, ja? Ein bisschen dalli, wenn ich bitten darf. Der Name ist Susan Lewis.«
    Detective Barren sah dem Gehilfen hinterher.
    »Der ist in zwei Minuten

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