Der Frauenhaendler
Tasche, die ich neben dem Stuhl auf den Boden gestellt habe, und werfe die Mappe auf den Schreibtisch.
»Schau mal da rein.«
Er nimmt sie, zieht am Gummiband und weiß noch nicht, dass er eigentlich am Hebel einer Granate zieht. Er braucht auch länger, als man klassischerweise bis sieben zählt, um die Dokumente ein paar Mal durchzugehen. Das entgeisterte Gesicht, das er mir dann zuwendet, wird ungefähr dasselbe sein, das ich gemacht habe, als die Papiere zum ersten Mal vor mir lagen.
»Bravo, das ist eine Atombombe.«
»Bei der allerdings auch das Risiko besteht, dass sie nie zur Explosion kommt.«
Wir wissen beide um die Bedeutung dessen, was ich soeben gesagt habe. Die Sache ist derart gewaltig, dass die Möglichkeit, dass sie im Sande verläuft, gar nicht so abwegig ist. ›Staatsgeheimnis‹ ist ein Zauberwort, das viele Türen schließt, statt sie zu öffnen. Und es gibt noch eine andere Gefahr. Er benennt sie als Erster.
»Oder sie explodiert unter unserem Hintern.«
Im selben Moment, in dem er die Papiere gesehen hat, ist ihm klar geworden, dass unser Leben nicht mehr die Gürtel um unsere Taillen wert sein könnte. Manchmal denkt man, dass es bestimmte Dinge nur im Kino gibt. Niemand kommt auf die Idee, dass sie manchmal gerade deshalb im Film landen, weil sie in der Wirklichkeit längst passiert sind.
Ich beschließe, den Gedankenwust zu entwirren, der in unseren Köpfen herumschwirrt.
»Hast du einen Fotokopierer im Büro?«
»Ja.«
Er schaut mich an. Vielleicht bildet sich in seinem Geist soeben ein Gedanke. Und jetzt ist er neugierig, ob dieser Gedanke in meinem Kopf schon fertig gedacht ist.
»Hast du einen Safe?«
»Natürlich.«
Ich rutsche auf die Stuhlkante.
»Wir könnten es so machen. Umschläge mit jeweils einer Kopie der Papiere, adressiert an die Mailänder Adressen der Tageszeitungen. ›Corriere della Sera‹, ›La Repubblica‹, ›La Stampa‹, ›Il Giorno‹, ›La Notte‹. Die Umschläge legst du in den Tresor und hinterlässt deiner Sekretärin eine Nachricht, dass sie sie morgen früh persönlich in den Redaktionen abgibt.«
Er denkt einen Moment nach.
»Es gibt noch eine bessere Möglichkeit.«
Er greift zum Telefonhörer und wählt eine Nummer. Nachdem es ein paar Mal geklingelt hat, meldet sich jemand.
»Guten Abend, Federica. Hier ist Biondi. Ich weiß, dass Sonntag ist, aber ich muss Sie um einen großen Gefallen bitten. Es handelt sich um eine Angelegenheit von größter Dringlichkeit.«
Er wartet auf eine zustimmende Antwort. Sie muss erfolgt sein, denn er fährt fort.
»In einer Stunde werden auf meinem Schreibtisch Umschläge mit Mailänder Adressen liegen. Würden Sie so freundlich sein, vorbeizukommen und sie persönlich dort abzugeben?«
Auf der anderen Seite erfolgt ein logischer Einwand, der Versuch zu retten, was vom Sonntag noch zu retten ist.
»Ich würde es vorziehen, wenn Sie es heute Abend noch tun. Später erkläre ich Ihnen alles.«
Die Person am anderen Ende der Leitung muss verstanden haben, dass es sich um eine ernste Angelegenheit handelt.
»Ich wusste, dass ich mich auf Sie verlassen kann. Für Ihre Umstände können Sie sich einen Wochentag Ihrer Wahl freinehmen. Und Sie bekommen zwei Karten für die Scala.«
Das Gespräch endet mit einer Verabschiedung.
»Einen schönen Abend für Sie, Federica. Und danke noch mal.«
Ugo legt wieder auf. Er zeigt auf das Telefon, als würde er auf die Person zeigen, mit der er soeben gesprochen hat. Obwohl ich nicht danach gefragt habe, zählt er mir ihre Vorzüge auf.
»Federica Isoardi ist meine Sekretärin. Hellwach, vertrauenswürdig und zurückhaltend. Ziemlich hübsch außerdem, aber sie ist so gut, dass ich es bei ihr noch nie versucht habe, um nicht das Risiko einzugehen, sie zu verlieren.«
Dann schaut er mir, die Hände auf der Mappe, mit bedeutungsvollem Blick in die Augen.
»Vielleicht ist das übertrieben vorsichtig, aber es wäre mir lieber, wenn so etwas nicht die ganze Nacht lang alleine hier im Büro liegt.«
Er seufzt. Die Welt ist wirklich ein schlimmer Ort. Schlimm, schmutzig und gefährlich.
Als er aufsteht, scheint ihn das eine ungeheure Kraftanstrengung zu kosten.
»Sehr gut. Machen wir uns an die Arbeit.«
Ich begebe mich ebenfalls in die Vertikale.
»Es gibt noch etwas, das du für mich tun könntest.«
»Nämlich?«
Ich stecke eine Hand in die Tasche, ziehe mein Portemonnaie hervor und nehme den Wettschein und den Zeitungsausschnitt mit den
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