Der Frauenhaendler
Anwalts verlangen kannst. Hast du die Absicht, einen anzurufen?«
Ich schüttele den Kopf und trete beiseite, um sie hereinzulassen. Milla geht voraus, die beiden Polizisten folgen ihm. Im Wohnzimmer bleiben sie stehen, schauen sich um und registrieren schweigend das Ambiente. Der Hund ist still und setzt sich auf Kommando des Hundeführers auf den Teppichboden.
»Du kannst uns helfen, die Angelegenheit zu beschleunigen. Hast du einen Keller oder einen Dachboden?«
»Nein.«
»Hast du Drogen oder Waffen im Haus?«
»Nein.«
»Hast du einen Tresor?«
Ich merke, dass ich ihn trübsinnig anlächele. Dann mache ich eine vielsagende Geste.
»Um was hineinzutun?«
Einer der Polizisten muss lachen und wendet sich ab, um es zu verbergen. Milla merkt nichts und spricht zu seinen Männern in all der Förmlichkeit, die sein Rang ihm abverlangt.
»In Ordnung. Fangt an.«
Wortlos setzen sich die beiden in Bewegung und verschwinden im Flur. Ich schaue ihnen mit einer gewissen Sorge hinterher. Jetzt werde ich endlich Gelegenheit haben herauszufinden, ob mein Geheimversteck, das ich immer für genial gehalten habe, durchsuchungssicher ist.
Milla wirkt zerknirscht. Inwiefern das echt ist, kann ich nicht beurteilen.
»Es tut mir leid, aber wir werden deine Wohnung nicht ganz ordentlich hinterlassen.«
»Gibt es eine Alternative?«
»Ich denke nicht.«
Resigniert setze ich mich aufs Sofa und warte. Stefano beginnt, in den Schubladen herumzukramen. Ich weiß nicht, was ich von ihm zu erwarten habe. Zweifellos bin ich in einer privilegierten Position, weil ich die Leichen in seinem Keller kenne. Könnte sich das als Vorteil erweisen? Eher nicht, fürchte ich, wenn man bedenkt, dass ein Hinweis auf die Verbindung zwischen ihm und Tano Casale auch ein Hinweis auf die Verbindung zwischen mir und Tano Casale wäre.
Vielleicht denkt Stefano das auch, denn in der gesamten Zeit, in der er zwischen Wohnzimmer und Küche hin und her läuft und überall herumkramt und herumsucht, wechseln wir weder Worte noch Blicke. Vermutlich ist die Gegenwart der beiden Polizisten in den anderen Räumen eine wirksame Abschreckung gegen jede Form der Unterhaltung.
Die Durchsuchung scheint eine Ewigkeit zu dauern. Sie stellen meine Wohnung buchstäblich auf den Kopf, öffnen sämtliche Schubladen, studieren jeden Fetzen Papier, nehmen die Bilder von den Wänden, ziehen die Bezüge von Sofa und Kissen.
Schließlich stehen sie alle drei wieder im Wohnzimmer. Drei Mann in einem Boot, wie im Roman von Jerome K. Jerome. Nur dass man sich bei dieser Geschichte hier nicht köstlich amüsiert und dass von allen Seiten Wasser ins Boot dringt.
Milla schaut mich an.
»Es scheint alles in Ordnung zu sein. Das ist aber noch nicht alles. Du musst mit uns mitkommen.«
»Bin ich verhaftet?«
»Nein, sonst wärst du schon mit Handschellen an den Händen unterwegs. Das Kommissariat braucht nur ein paar Informationen.«
Ich erhebe mich von dem Stuhl, auf dem ich sitze, seit Milla mich vom Sofa verscheucht hat, nehme meine Jacke und ziehe meine Schuhe wieder an.
»Dann wollen wir mal.«
Wir treten auf den Treppenabsatz und sind bald die Treppe hinunter. Draußen ist kein Mensch. Ich versuche mir auszumalen, wie viele Augenpaare uns vom Fenster aus beobachten und wie viele ›Ich hab’s ja immer gesagt, dass …‹ den Mündern entweichen. Ich beschließe, dass mir das egal ist. Nichts als Neugierde und Spekulationen.
Vor dem Tor stehen ein Streifenwagen und ein Kastenwagen der Hundestaffel.
Der Hund verschwindet mit einem Sprung im Heck seines Fahrzeugs, während ich zu dem Alfa Romeo geführt werde. Der Polizist öffnet mir die Tür auf der rechten Seite, Milla steigt auf der anderen ein. Als alle an Bord sind, fährt der Wagen los. Die Schmach der Sirene wird mir erspart, und so verlassen wir diesen Teil der ehrlichen Welt, die nie eine Reise wie die meine unternehmen wird.
Der Wagen fährt durch die Straßen von Mailand. Draußen gibt es Lärm und Geräusche. Im Innern herrscht nur Schweigen. Milla und ich sitzen nebeneinander und spüren die Unebenheiten im Asphalt, ohne uns anzuschauen. Beide würden wir wer weiß was darum geben, die Gedanken des anderen zu erfahren. Beide würden wir lügen, wenn wir darum gebeten würden, sie zu offenbaren.
Die Reise endet im Kommissariat der Via Fatebenefratelli. Wir fahren durchs Tor und bleiben mitten im Hof stehen. Nachdem wir ausgestiegen sind, gehen wir zu der gewaltigen Treppe, die sich vor uns erhebt.
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