Der Frauenhaendler
zurückhaltend gewesen. Fast unerreichbar. Wieso sollte er zu jemandem wie Ihnen eine derart privilegierte Beziehung unterhalten haben?«
Ich schlucke die Provokation des ›Jemandem wie Ihnen‹ und mache eine unbestimmte Geste, die ich durch einen unschuldigen Tonfall noch unterstreiche.
»Ich kenne viele Leute in Mailand, vor allem in der Modewelt. Wenn er Gäste hatte, rief er mich an, weil er Mädchen und Models zu seinen Festen einladen wollte.«
»Festen oder dubiosen Partys?«
»Das weiß ich nicht. Ich bin nie dort gewesen.«
Überraschend wechselt der Kommissar das Thema.
»Kannten Sie einen gewissen Salvatore Menno, auch bekannt unter dem Namen die Tulpe?«
»Ja.«
»Wissen Sie, dass er ebenfalls tot aufgefunden wurde, erschossen mit drei Schüssen in einer Grube in der Nähe von Trezzano?«
Und ob ich das weiß.
pfft … pfft … pfft …
» Das habe ich in der Zeitung gelesen.«
»Wie und wo haben Sie ihn kennen gelernt?«
»Ich bin ihm ein paar Mal im Ascot Club begegnet, in der Via Monte Rosa. Wir standen in keinerlei Beziehung zueinander, außer dass wir gelegentlich dasselbe Lokal frequentiert haben. Irgendwann hatte ich dann ein klärendes Gespräch mit ihm, weil er einer Freundin von mir etwas zu viel Aufmerksamkeit entgegengebracht hat.«
»Wie heißt diese Freundin?«
»Laura Torchio.«
»Ah.«
Dieser Einsilber ist so lang wie ein Roman und erzählt noch viel mehr. Viele schlimme Dinge. Der Kommissar erhebt sich und geht zum Fenster. Schweigend schaut er hinaus. Als er wieder redet, geht er vom Sie zum Du über. Das hat nichts Freundschaftliches, sondern klingt eher bedrohlich.
»Schau, Bravo. In dieser Verflechtung von Ereignissen gibt es ein paar Dinge, die ziemlich sonderbar sind.«
Er läuft jetzt in meinem Rücken herum, und ich widerstehe der Versuchung, mich umzudrehen.
»Die Personen, mit denen du Umgang pflegst, neigen dazu, ein schlimmes Ende zu nehmen. Ein Mann, mit dem du ein klärendes Gespräch hattest, wie du es nennst, wird tot aufgefunden. Dasselbe geschieht mit drei Mädchen, deren guter Freund du bist, und mit einer dir bekannten Größe der Finanzwelt, und zwar im Rahmen eines wahren Gemetzels in seiner Villa.«
Ich spüre, dass er auf den Höhepunkt zusteuert. Und der erfolgt nun tatsächlich.
»Merkwürdig ist, dass die Pistole, mit der Salvatore Menno erschossen wurde, eine der Waffen ist, die auch für die Morde in Bonifacis Villa benutzt wurden. Hast du eine Vorstellung, wie das zusammenhängen kann?«
Das ist eine Frage, die keine Antwort verlangt. Vor allem könnte ich nichts antworten, was der Kommissar zu glauben geneigt wäre, es sei denn, es wäre ein Geständnis. Es ist vielmehr eine Information, die er mir ins Gesicht spuckt, um meine Reaktion zu sehen: die Bekanntgabe der Tatsache, dass in Rekordgeschwindigkeit ein ballistisches Gutachten erstellt wurde und ich unter den Verdächtigen bin.
»Absolut nicht.«
Giovannone nimmt wieder gegenüber von mir Platz. Der Namenlose hat während des gesamten Gesprächs weder Position noch Gesichtsausdruck verändert.
»Können Sie mir sagen, wo Sie den gestrigen Abend und die Nacht von gestern auf heute verbracht haben?«
»Ich habe im Torre Pendente in der Via Ravello zu Abend gegessen. Dann bin ich auf einen Sprung in die Budineria gegangen, in der Via Chiesa Rossa. Gegen Mitternacht bin ich nach Hause gefahren, und dort bin ich bis heute Morgen geblieben.«
Die Geschichte mit Daytona und der Übergabe erwähne ich nicht. Ein hartnäckiger Gedanke hat sich in meinem Gehirn eingenistet. Ein nagender Zweifel, der seine Stärke und Macht ausgerechnet aus den Worten gewinnt, die neulich abends Stefano Milla hat fallen lassen.
Manchmal haben nur die Dummen und die Unschuldigen kein Alibi.
Mein Alibi für den Abend, an dem die Tulpe umgebracht wurde, ist Carla, die im Nichts verschwunden ist. Und für die Nacht des Massakers habe ich keins, weil ich wie ein Idiot in meinem Wagen gesessen und auf Unbekannte gewartet habe, die nicht gekommen sind, um einen Umschlag voller Zeitungspapier abzuholen.
»Gibt es jemanden, der bezeugen könnte, was du gesagt hast?«
Herr im Himmel, nein. Nicht einmal Lucio war zu Hause. Der war im Castello di Carimate und hat auf seinen Scheißgitarren gespielt. Ich spüre, wie eine Wut unbekannten Ausmaßes mir die Luft raubt.
»Nein.«
Meine Antwort ist trocken und unhöflich.
»Dieses Nein kann dich teuer zu stehen kommen. Und mehr noch die Art und Weise, wie du es
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