Der Frauenhaendler
Zwei Treppenabsätze mit ausgetretenen Stufen zwischen Wänden mit bröckelndem Putz, dann ein Flur, in dem unsere Schritte widerhallen, schließlich eine Holztür.
Milla klopft, und als er von der anderen Seite das Zauberwort hört, fühlt er sich berechtigt, die Klinke hinunterzudrücken. Ich betrete ein Büro, dem man seine Funktion als Polizeistation auch dann ansehen würde, wenn man nicht durch den Eingang gekommen, sondern einfach plötzlich da wäre. Wegen der zusammengewürfelten Möbel und der Papiere auf den Schreibtischen und wegen der Versuche, so etwas wie Bilder an die Wand zu hängen. Vor allem aber wegen der beiden Personen hier. Ein Typ um die dreißig mit einem finsteren, verlebten Gesicht, langen Haaren und ungepflegtem Bart sitzt auf einem Lehnstuhl in der rechten Ecke. Seine Kleidung ist so normal, dass er auf der Straße vermutlich perfekt an seine Umgebung angepasst ist. In diesem Raum allerdings würde man ihn sogar aus zehntausend Metern Entfernung für einen Undercover-Ermittler oder ein Mitglied der Antiterrortruppe halten.
Milla wendet sich an den, der hinter dem Schreibtisch sitzt.
»Guten Tag, Herr Kommissar. Hier ist der Mann. Was den Rest betrifft, negativ.«
»In Ordnung. Sie können gehen.«
Als der Inspektor hinausgeht, zeigt der Kommissar auf einen Stuhl vor sich.
»Nehmen Sie Platz.«
Ich gehorche, und wir sitzen uns gegenüber. Der Kommissar ist älter als der andere Mann und wesentlich förmlicher mit seinem blauen Hemd, dem grauen Anzug und einer Krawatte, für die man ihn verhaften müsste. Sein Haar ist kurz und kastanienbraun, sein Gesicht schmal und der Blick hinter den Brillengläsern unergründlich.
Ich schaue ihn an und warte.
»Ich bin Kommissar Vincenzo Giovannone, um mich erst einmal vorzustellen.«
Über den anderen, der in seine Ecke abgeschoben wurde und schweigt, sagt er nichts. Ein Mann ohne Personalien und ohne Qualifikation. In meinem Kopf wird er sofort zu dem Namenlosen.
Der Kommissar öffnet eine Akte, die vor ihm auf dem Schreibtisch liegt.
»Sind Sie Francesco Marcona, auch bekannt unter dem Spitznamen Bravo?«
»Ja.«
»Ich sehe hier, dass Sie mal wegen Zuhälterei festgenommen wurden.«
Das war zu erwarten. Der Tanz hatte nach seinen ureigensten Regeln begonnen. Ich reagiere vorschriftsmäßig, auch wenn ich von einem bestimmten Punkt an den Eindruck gewinne, dass wir beide improvisieren.
»Dann werden Sie auch sehen, dass die Sache keine weiteren Konsequenzen hatte und nicht einmal gerichtlich gegen mich vorgegangen wurde.«
»Ja.«
Irgendwann schaut Giovannone endlich von seiner Akte auf. Er gönnt mir und sich selbst einen direkten Blick. Seine Augen sind hell und durchdringend. Es sind die Augen eines Mannes, der sein Handwerk versteht.
»Kennen Sie drei Frauen namens Cindy Jameson, Barbara Marrano und Laura Torchio?«
»Ja.«
»Sind Sie darüber informiert, dass sie gestern Abend in der Villa von Lorenzo Bonifaci waren, in Lesmo bei Monza?«
Eine schlimme Vorahnung schießt mir in den Kopf und schlägt mir gleichzeitig auf den Magen. Es ist das unangenehme Gefühl, das man empfindet, wenn man im Traum zu fallen vermeint. In der Auflistung der Namen steckt eine falsche und absurde Information. Ich selbst habe Carla nach San Babila begleitet. Auf den Wagen, den Bonifaci geschickt hat, um die Mädchen an der verabredeten Stelle abzuholen, habe ich nicht gewartet, aber Cindys und Barbaras Anwesenheit an diesem verfluchten Ort müsste bedeuten, dass auch sie dort war.
Und was zum Teufel hat Laura mit der Sache zu tun?
Der harsche Ton des Kommissars reißt mich aus meinen Überlegungen.
»Sind Sie nun informiert darüber oder nicht?«
»Ja. Ich weiß, dass sie zu einem Fest eingeladen waren.«
Wider Willen ist die Stimme, mit der ich antworte, nicht dieselbe wie zuvor. Es ist die Stimme eines Mannes, dem es plötzlich die Sprache verschlagen hat. Der Kommissar merkt das.
Und drängt mich.
»Sie wissen, dass sie alle drei ermordet wurden?«
Ich nicke.
»Ja. Besser gesagt, ich nehme es an. Als die Polizei zu mir in die Wohnung kam, habe ich gerade ferngesehen. Es gab eine Sondersendung über das, was in Bonifacis Villa geschehen ist.«
»Sprechen wir also über ihn. Sie kannten Lorenzo Bonifaci?«
»Nicht persönlich. Ich bin ihm nie begegnet. Wir haben immer nur telefoniert.«
Der Kommissar wirkt nun erstaunt, als würde er sich auf den Arm genommen fühlen.
»Es heißt, der Mann sei äußerst verschlossen und
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