Der Frauenhaendler
es vor, im Abseits zu bleiben. Das ist immer meine Lebensregel gewesen, auch wenn ich nicht sagen könnte, dass es viel genützt hat.
Ich gehe auf und ab und rauche, bis meine Ausdauer belohnt wird. Auf der anderen Straßenseite kommen zwei Frauen in meine Richtung. Ziemlich genau auf meiner Höhe überqueren sie die Straße, und als sie an mir vorbeigehen, erkenne ich eine von ihnen. Es ist die, die so vielsagend zu uns herübergeschaut hatte an dem Morgen, als ich mich zum ersten Mal mit Carla unterhielt.
Ich trete näher und spreche die beiden an.
Es sind zwei absolut durchschnittliche Frauen, gleiche Figur, undefinierbares Alter, die vielleicht im Dämmerlicht besser aussehen, als sie es tatsächlich tun. Sie sind sich so ähnlich, dass es Schwestern sein könnten. Vielleicht sind es aber auch nur arme Schweine, was mehr verbindet als jede Verwandtschaft. Sie bleiben direkt nebeneinander stehen, und ihrem Gesicht ist deutlich die Sorge anzusehen, dass ich sie für Prostituierte halten könnte.
Ich wende mich an das bekannte Gesicht.
»Entschuldigen Sie bitte, dürfte ich Sie etwas fragen?«
»Bitte.«
»Arbeiten Sie als Reinigungskraft bei Costa?«
»Ja.«
»Ich kenne ein Mädchen, das auch dort arbeitet, eine gewisse Carla Bonelli. Sie haben nicht zufällig ihre Adresse oder ihre Telefonnummer?«
Die beiden schauen sich an. Dann antwortet die, an die ich mich gewandt hatte.
»Wie war der Name?«
»Carla Bonelli.«
Die Antwort kommt sofort, ohne jedes Zögern.
»Bei uns arbeitet kein Mädchen mit diesem Namen.«
Ich weiß nicht, auf was für einem Boden ich stehe, aber ich spüre, wie er unter meinen Füßen wegrutscht.
»Sind Sie sich da sicher? Eine schöne große Frau mit kastanienbraunen Haaren und haselnussbraunen Augen. Vor ein paar Tagen habe ich sie zusammen mit Ihnen aus dem Gebäude kommen sehen.«
»Ja, ich erinnere mich an das Mädchen. Sie stand allerdings schon vor dem Gebäude, als wir herauskamen. Ich erinnere mich auch an Sie. Bitte verzeihen Sie, aber wir dachten, das Mädchen sei eine von denen, und Sie seien …«
Sie hält inne, bevor sie ausspricht, was sie dachte, was ich bin. Und mir wird klar, wie sich die Dinge tatsächlich verhalten. In der Tat hatte ich Carla nicht mit den anderen herauskommen sehen. Es war Daytona, der mich auf sie aufmerksam gemacht hat, als sie vor dem Gebäude von Costa Britain stand. Er war es, der die Sache mit der Verkupplung angestoßen hat, wohlwissend, dass ich darauf anspringen würde. Er war es, der …
Ich drehe den beiden den Rücken zu und gehe, ohne mich zu bedanken oder mich zu verabschieden. Wen kümmert das schon. Ich habe jetzt Wichtigeres zu tun. Zügig gehe ich zum Taxistand an der Piazza Amendola. Der Drang, mich mit Paolo Boccoli zu unterhalten, besser bekannt unter dem Namen Daytona, ist so unerbittlich wie eine Zwangsjacke.
Kapitel 14
Daytonas Mutter wohnt in Isola, in der Via Confalonieri, in der Nähe der ehemaligen Fabrik Stecca degli Artigiani. Als ich durch den Park zu ihrem Haus gehe, frage ich mich, ob das nicht eine Riesendummheit ist. Möglich, aber wenn man kurz vor dem Ertrinken ist, erscheint einem auch ein treibender Schwamm wie ein Rettungsring.
Gestern Abend bin ich durch halb Mailand gefahren und habe erfolglos sämtliche Lokale abgesucht, die mein Freund für gewöhnlich frequentiert. Im Scimmie im Navigli-Viertel sah ich Matteo Sana und den Godie, die sich aber, als sie mich entdeckten, anders verhielten als erwartet. Ich hätte gedacht, dass sie mich in irgendeine Ecke drängen und mit nervigen Fragen bombardieren würden. Stattdessen taten sie so, als würden sie mich gar nicht sehen. Das hat mir meine aktuelle Lage deutlich vor Augen geführt. Ich bin eine Person, mit der man sich besser nicht zeigt. In diesem speziellen Fall war das vielleicht sogar gut so. Ich sah mich in dem überfüllten Lokal um und hielt nach zwei über eine Glatze gekämmten Strähnen Ausschau.
Daytona war nirgends zu entdecken.
Mir war klar, dass er an allen möglichen Orten sein konnte: in Tanos Spielhölle oder anderswo, wo gespielt wurde, oder im Bett mit irgendeiner Hure. Oder auch versteckt in irgendeinem Loch, wo er wie eine fette, diebische Maus an seinem Stück Käse knabberte und darauf wartete, dass die Wogen sich glätteten.
Alles Orte jedenfalls, die für mich unbekannt und unauffindbar waren.
Im Taxi, das mich nach Hause brachte, fiel mir ein, was Daytona einmal in einer vergleichbaren Situation
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