Der Frauenhaendler
von dem Artikel halten mag, er ist ein Abschied an das Leben und an das bisschen Privatheit, das einem wenigstens im Tod zustehen sollte.
Über eine Frau mit haselnussbraunen Augen, die in diesem Haus hätte sein sollen, aber nicht dort war, liest man nichts. Sie war an keinem der Orte, von denen sie gesagt hatte, dass sie dort gewesen sei. Und auch an keinem, von dem sie gesagt hatte, dass sie hingehen würde. Nur bei mir zu Hause war sie. Ich habe sie an meiner Haut gespürt, eine Weile lang.
Ich schaue auf die Uhr. Zwanzig Minuten sind vergangen. Das dürfte reichen.
Kurze Zeit später drücke ich wieder auf die Klingel. Die Stimme braucht wieder genauso lange, um sich zu melden.
»Wer ist da?«
»Entschuldigen Sie bitte, Signora, hier ist noch einmal Rondano. Ich habe meinen Terminkalender vergessen. Darf ich noch einmal hochkommen und ihn holen?«
Die Tür springt auf. Ich trete ein und steige schnell die Treppe hinauf. Sie steht auf der Schwelle und hält das Objekt meiner vorgetäuschten Amnesie in der Hand.
»Ich bin wohl ein bisschen durcheinander. Heute klappt wirklich nichts. Aber wie sagt man so schön: Was man nicht im Kopf hat, muss man in den Beinen haben.«
Ich empfange das ledergebundene und mit einem Schloss versehene Buch aus ihren Händen.
»Ganz schön schwer.«
»Das liegt an dem Ledereinband. Es ist ein Geschenk von meiner Verlobten, sonst hätte ich mir längst einen anderen Kalender zugelegt.«
Erneut verabschieden wir uns, und diesmal ist meine Eile auf der Treppe nicht vorgetäuscht. Sobald ich auf der Straße bin, ziehe ich einen kleinen Messingschlüssel aus der Jackentasche und lasse das Schloss am Terminkalender aufspringen. Mit dem, was ich im Innern vorfinde, bin ich zufrieden. Ich hatte einen Hohlraum in das Papier gestanzt, um ein Aufnahmegerät dort unterzubringen, das jetzt unter meinen Augen noch läuft. Nacheinander drücke ich die Stopptaste und die Taste für den Schnellrücklauf. Mit einem kläglichen Laut bleibt das Band am Anfang stehen. Abhören werde ich es aber erst im Wagen. Nie zuvor sind mir dreihundert Meter so lang vorgekommen.
Ich setze mich hinters Steuer und schließe die Tür. Dann seufze ich laut auf, um mir Glück zu wünschen, und drücke auf PLAY. Am Anfang ist leise, aber verständlich die Unterhaltung zwischen mir und Daytonas Mutter zu hören. Die ganze Komödie bis hin zu den Abschiedsworten und meinem Abgang von der Bühne.
Schließlich das, was mich interessiert.
In der Stille der Wohnung das Geräusch einer sich drehenden Wählscheibe. Klar und deutlich, trotz des dämpfenden Kalendereinbands.
Trrr … trrr … trrr …
Dann die Stimme von Signora Teresa.
»Hallo, mein Schatz, ich bin’s.«
Stille.
»Ich weiß, dass ich dich nicht anrufen soll, aber es war einer da und wollte dich sprechen. Dein Versicherungsvertreter. Er hat Papiere gebracht, die du unterschreiben musst, um Geld zurückzubekommen.«
Stille.
»Das weiß ich nicht. Sie sind in einem Umschlag.«
Pause. Die Frau wirkt verängstigt, als sie jetzt ihre Unzulänglichkeit zugeben muss.
»Aber du weißt doch, dass ich von diesen Dingen nichts verstehe. Ich lege ihn in dein Zimmer, und wenn du kommst, kannst du ihn öffnen.«
Noch ein kurzes Schweigen. Diesmal nicht, um zuzuhören, sondern um Mut zu fassen.
»Kommst du bald?«
Ich stelle mir vor, wie Daytona in irgendeinem Versteck hockt, unruhig und nervös, die Strähnen über der Glatze verrutscht und das Gesicht knallrot. Und ich stelle mir das Gesicht der Mutter vor, wie sie sich weitere Lügen von ihrem Sohn auftischen lässt. Wenn sie den Umschlag geöffnet hätte, wären meine sofort aufgeflogen.
»In Ordnung, mein Schatz. Pass auf dich auf. Und melde dich mal ab und zu.«
Das Geräusch des Hörers auf der Gabel, dann das Geräusch von Schritten, die sich entfernen.
Ich halte das Aufnahmegerät an. Das kurze Gespräch, das aufgenommen wurde, hat zwei Dinge bestätigt. Erstens: Was auch immer hier los ist, dieser Idiot Daytona steckt bis zum Hals mit drin. Zweitens: Vielleicht kann ich herausfinden, wo er sich verkrochen hat.
Ich spule das Band wieder zurück und lasse es bis zu dem Moment vorlaufen, in dem Signora Teresa die Nummer wählt. Nachdem ich mich mit einem Blatt Papier versorgt habe, starte ich mit einem Identifizierungsprozess, der sich hoffentlich als erfolgreich erweisen wird. Ich notiere Ziffern, indem ich die Dauer der Bewegung der Drehscheibe protokolliere. Das System ist eher empirischer
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