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Der Frauenhaendler

Der Frauenhaendler

Titel: Der Frauenhaendler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giogio Faletti
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gesagt hatte, und plötzlich kam mir eine Idee. Eine armselige, aussichtslose und verzweifelte Idee, aber die einzige, die ich hatte. Und jetzt bin ich hier, einen großen ledergebundenen Terminkalender unter dem Arm und in der Hand einen schweren gelben Umschlag in Kanzleiformat, der – Ironie des Schicksals – mit Zeitungsausschnitten gefüllt ist. Als ich sie hineingesteckt habe, musste ich unwillkürlich lächeln, weil ich dachte, dass sich Daytona wohl geschnitten hat, als er sich für so viel schlauer hielt als mich.
    Lucio wäre stolz auf mich wegen dieser Wendung.
    Ich war aber nicht in der Stimmung, ihm von meinen Schwierigkeiten zu erzählen, nur um das Lob einzuheimsen.
    Ich erreiche die Eingangstür eines anonymen Mietshauses, das im Rahmen des sozialen Wohnungsbaus entstanden ist. Hier wohnt Daytonas Mutter, die mittlerweile mein einziger Halt ist auf dieser Kletterpartie. Dieses Stück Scheiße hat eine ziemlich enge Beziehung zur Erzeugerin seines Elends, wie es bei veritablen Hurenböcken oft der Fall ist. Wenn er etwas angestellt hat und sich für eine Weile verkriecht, weiß seine Mutter mit Sicherheit, wo er sich befindet. Mit ein bisschen Glück und viel Frechheit werde ich es hoffentlich auch bald wissen.
    Ich trete an die Sprechanlage und drücke auf den Knopf neben dem Schild Boccoli-Crippa. Es vergeht einige Zeit, in der ich mir vorstelle, wie sie sich gebückt und mit Filzpantoffeln an den Füßen über den gebohnerten Boden schleppt. Die Stimme, die dann spricht, ist sanft und angenehm.
    »Ja?«
    Ich drücke mir die Daumen und stelle mich vor.
    »Guten Tag, Signora. Mein Name ist Rondano, ich bin Paolos Versicherungsvertreter. Bei ihm zu Hause habe ich niemanden angetroffen. Ist er zufällig bei Ihnen?«
    »Nein. Er ist ein paar Tage nicht in der Stadt, wegen seiner Arbeit.«
    Alles wie erwartet. Diese arme Frau ist die einzige Person in Mailand, die ihren Sohn mit der Vorstellung von Arbeit zusammenbringt. Wenn es stimmt, dass Eltern Tomaten auf den Augen haben, was ihre Kinder angeht, dann handelt es sich bei ihr um ganze Tomatenplantagen.
    »Das hatte ich mir schon gedacht. Ich war aber zufällig in der Gegend, und da ich Papiere bei mir habe, die er unterschreiben müsste, dachte ich, ich schau mal vorbei und hinterlege sie bei Ihnen. Es handelt sich um eine Rückerstattung. Wenn Sie mich hereinlassen, gebe ich Ihnen die Papiere, dann kann er sie bei seiner Rückkehr sofort unterschreiben. Je eher ich sie habe, desto eher bekommt er sein Geld zurück.«
    Sie scheint verblüfft, dem Schweigen nach zu urteilen, das meinen Worten folgt. Schließlich erringt aber die Angst, ihrem Sohn zu schaden oder seinen Zorn auf sich zu ziehen, den Sieg über die Vorsicht.
    »Zweiter Stock.«
    Mit einem trockenen, metallischen Geräusch springt die Tür auf. Das Wort Geld ist ein Dietrich, der einem viele Türen öffnet, seien sie nun physischer oder psychischer Natur. Ich steige ein in matten Farben gestrichenes Treppenhaus hoch, in dem es nach Essen und Chlorbleiche riecht. Die Mischung ist nicht gerade ansprechend, aber ich bin ja nicht hier, um eine Wohnung zu kaufen, sondern um mir eine Information zu erschleichen.
    Daytonas Mutter wartet an der Tür auf mich. Sie ist mittelgroß, hat ein verbrauchtes Gesicht und wirkt schutzlos. Über ihrem Hauskleid trägt sie eine Schürze. Vielleicht störe ich sie beim Kochen, was sie möglicherweise eher aus Gewohnheit denn aus Hunger tut. Aus dem wenigen, was ich über ihr Leben weiß, schließe ich, dass der einzig schöne Moment das frühzeitige Ableben ihres Ehemanns, der sie wie einen Hund behandelt hat, gewesen sein dürfte. Leider hat ihr das Schicksal zum Ausgleich einen Sohn wie Daytona beschert, der sie la me mameta nennt und sicher für die Hälfte der weißen Haare auf ihrem Kopf verantwortlich ist.
    Es gibt Menschen, denen nicht mal das kleinste bisschen Glück vergönnt scheint.
    Sie begrüßt mich mit ihrer angenehmen Stimme, die mich an der Sprechanlage auf ein anderes Äußeres hatte schließen lassen. Fantasie im Radio, Wirklichkeit im Fernsehen.
    »Guten Tag.«
    »Guten Tag, Signora …«
    »Crippa Teresa.«
    Ungeachtet meines allgemeinen Gemütszustands rührt es mich, dass sie wie bei einer Volkszählung den Nachnamen vor dem Vornamen nennt. Mit meinem schönsten Lächeln reiche ich ihr die Hand. Ängstlich schüttelt sie sie, als fürchtete sie, der Person, mit der sie spricht, nicht zu genügen.
    »Angenehm. Mein Name ist Marco

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