Der Frauenhaendler
ihrer Einkünfte hätten mir zugestanden. Die Verantwortung aber wird, habe ich das Gefühl, zu hundert Prozent auf meinen Schultern lasten.
Ich schaue mich um.
Auf meiner ziellosen Fahrt bin ich am Cimitero Monumentale vorbeigekommen und in der Via Cenisio gelandet. Etwa hundert Meter von der Stelle, wo ich meinen Mini geparkt habe, befindet sich ein chinesisches Restaurant, wo ich oft hingehe und wo man die besten in Sojasoße geschmorten Ravioli von ganz Mailand bekommt.
Ich beschließe, dass mir für mein bisschen Hunger jedes Lokal recht ist. Als ich mich auf den Weg mache, spüre ich im Unterleib ein unangenehmes Gefühl, ein leichtes Brennen, das ich nur zu gut kenne. Harnwegsinfektionen treten in meiner anatomischen Situation ziemlich häufig auf. Außerdem fröstele ich ein wenig und weiß nicht, ob das am Stress liegt oder an einem leichten Fieber.
Zack! Erwischt. Flüchtig und fiebrig.
Das würde der Godie sagen und mir zwei gespreizte Finger an den Hals legen. Die Zeiten sind allerdings vorbei, und ich weiß nicht, ob sie je wiederkehren werden. Ich bin zu sehr in Eile, um mich schlecht zu fühlen, zu sehr in Eile, um mich selbst zu bemitleiden. Endlich habe ich mich dem Schritttempo der Stadt um mich herum angepasst, wo die Eile per definitionem Königin ist und wo die Menschen sich sogar noch auf dem Weg ins Bett beeilen. In dieser allgemeinen Aufregung steht mein Leben auf dem Spiel. Ich muss in den Startlöchern hocken und darauf warten, dass ein korrupter Polizist mir die Information zukommen lässt, die mir hilft, einen Freund aufzusuchen und ein paar Fragen mit ihm zu klären.
Fünfzig Meter vom Restaurant entfernt befindet sich eine Apotheke. Hinter dem Verkaufstresen steht eine Frau Doktor im weißen Kittel mit dem bebrillten, pickeligen Gesicht einer Streberin. Mein Leiden verschlimmert sich, aber ich habe keine Lust, darüber zu reden, ganz besonders nicht mit einer Frau. Ich bitte um eine Packung Furadantin, die mir die Apothekerin nach ein paar Erläuterungen auch ohne Rezept überlässt.
Sofort nachdem ich die Apotheke verlassen habe, schlucke ich eine Tablette ohne Wasser hinunter. Ich möchte nicht, dass mich jemand an einem Tisch sitzen und gewisse Medikamente nehmen sieht. Eine Charakterschwäche, die etwas mit der Scham der Behinderten zu tun hat. Ich öffne die Tür zum Pechino und stehe auch schon mitten in dem kleinen Restaurant, das mit roten Laternen und anderem chinesischen Plunder geschmückt ist. Mittags kommen nicht viele Leute hierher, und tatsächlich ist im Moment nur ein Tisch besetzt.
Der Besitzer, der mich gut kennt, kommt sofort auf mich zu. Er ist ein fähiger Mann, der stets lächelt. Damit hebt er sich deutlich ab von der chinesischen Gemeinde Mailands, die für gewöhnlich sehr verschlossen und wenig kommunikativ ist. Er spricht perfekt Italienisch und ebenso perfekt den Mailänder Dialekt. Letzteren von jemandem mit einem eher exotischen Gesicht zu hören, ist ziemlich amüsant. Auch wegen seiner sympathischen Art ist das Restaurant solch ein Erfolg, nicht nur wegen der unbestreitbaren Vorzüge der Küche.
Wir begrüßen uns. Vermutlich sieht er mir an, dass ich nicht in Stimmung bin, denn er verwickelt mich nicht in ein längeres Gespräch. Er begleitet mich an einen Tisch, nimmt meine einzige Bestellung auf und begibt sich in die Küche, wo seine Frau am Herd steht.
Ich sitze schräg gegenüber von der Theke, die sich direkt rechts hinter dem Eingang befindet. Ein junger Chinese hantiert an der Kaffeemaschine herum und schaut in einen kleinen tragbaren Fernseher, der auf der Marmorplatte steht. Der Ton ist ziemlich leise eingestellt.
Es laufen gerade die Nachrichten. Ich stelle mir vor, wie mühsam es für die Redakteure sein muss, mit den Informationslawinen fertigzuwerden, die von allen Seiten auf sie einstürzen. Im Moment geht es allerdings überall ausschließlich um das Geschehen in Monza. Von meinem Platz aus kann ich den Bildschirm erkennen und sehe Bilder vorbeiziehen, die man im Prinzip schon in den Tageszeitungen gesehen hat.
Ich stehe auf und trete näher heran.
Der Chinese, dessen Stimme ich noch nie gehört habe, hantiert weiter herum und sagt nichts. Ich bin es schließlich, der ihn fragt, ob er den Ton ein wenig lauter stellen könnte.
Er tut es und dreht auch den Fernseher zu mir hin.
Auf dem Bildschirm ist soeben ein Mann erschienen, der sofort, nachdem er aus einem langen, dunklen Wagen gestiegen ist, von Polizisten gegen den
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