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Der Frauenheld

Der Frauenheld

Titel: Der Frauenheld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Ford
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vielleicht unergründbare Nachricht auf Band hinterlassen könnte, um sie dann die nächsten paar Tage nicht anzurufen, als ob er zu beschäftigt sei, um zu bestimmten Zeiten zur Verfügung zu stehen. Aber nachdem ihr Telefon zweimal geklingelt hatte, nahm sie ab.
    »Hi«, sagte Austin, verblüfft darüber, daß Josephine plötzlich tatsächlich am Apparat war, nur ein Stückchen von der Stelle entfernt, wo er jetzt stand, und sich ohne Frage wie sie selbst anhörte. Ihm wurde gleich ein wenig flau. »Ich bin’s, Martin Austin«, brachte er mit schwacher Stimme heraus. Noch bevor Josephine mehr als »Hallo« sagen konnte, hörte er ein Kind im Hintergrund schreien. »Nooooooo!« Das Kind, natürlich Leo, schrie noch einmal.
    »Wo bist du?« sagte sie mit hektischer Stimme. Er hörte, wie etwas in dem Zimmer, aus dem sie telefonierte, laut zu Boden fiel. »Bist du jetzt in Chicago?«
    »Nein, ich bin in Paris«, sagte Austin, der mit Mühe versuchte, die Fassung zu bewahren und sehr leise sprach.
    »Was machst du hier?« sagte Josephine. Sie war überrascht. »Bist du jetzt wieder geschäftlich hier?«
    Irgendwie war das eine beunruhigende Frage. »Nein«, sagte er, immer noch sehr schwach. »Ich bin nicht geschäftlich hier. Ich bin bloß hier. Ich habe eine Wohnung.«
    » Tu as un appartement! « sagte Josephine noch überraschter. »Wofür?« sagte sie. »Warum? Ist deine Frau bei dir?«
    »Nein«, sagte Austin. »Ich bin allein hier. Ich habe vor, eine Weile zu bleiben.«
    » Oooo-la-laaa «, sagte Josephine. »Hast du furchtbaren Krach zu Hause? Ist das der Grund?«
    »Nein«, log Austin. »Wir hatten keinen furchtbaren Krach zu Hause. Ich habe beschlossen, eine Weile wegzugehen. Das ist doch nicht so ungewöhnlich, oder?«
    Leo schrie wieder wild auf. » Ma-man! « Josephine sprach geduldig auf französisch mit ihm. »Bitte sei still, Liebling«, sagte sie. »In einer Minute komme ich, dir zuhören.« Eine Minute schien nicht sehr viel Zeit, aber Austin wollte nicht lange am Telefon bleiben. Josephine schien viel französischer zu sein, als er in Erinnerung hatte. In seiner Vorstellung war sie beinahe eine Amerikanerin gewesen, nur mit einem französischen Akzent. »Okay. Also«, sagte sie ein bißchen außer Atem. »Du bist jetzt hier. In Paris.«
    »Ich möchte dich sehen«, sagte Austin. Es war der Augenblick, auf den er gewartet hatte – sogar mehr noch als auf den Augenblick, in dem er sie endlich sehen würde –, der Augenblick, in dem er seine Anwesenheit verkünden würde. Unbehindert verfügbar. Willig. Das machte eine Menge aus. Er zog sogar seinen Ehering vom Finger und legte ihn auf den Tisch neben das Telefon.
    »Ja?« sagte Josephine. »Was …« Sie hielt inne, fing dann wieder an. »Was möchtest du mit mir machen? Wann möchtest du? Was?« Sie war ungeduldig.
    »Was auch immer. Wann auch immer«, sagte Austin. In dem Moment fühlte er sich so gut wie seit Tagen nicht mehr. »Heute abend«, sagte er. »Oder tagsüber. In zwanzig Minuten.«
    »In zwanzig Minuten! Also bitte. Nein!« sagte sie und lachte, aber auf eine interessierte, eine erfreute Weise – das konnte er spüren. »Nein, nein, nein«, sagte sie. »Ich muß in einer Stunde zu meinem Anwalt gehen. Ich muß jetzt meine Nachbarin finden, damit sie auf Leo aufpaßt. Es ist unmöglich jetzt. Ich bin in der Scheidung. Du weißt das bereits. Es bringt mich durcheinander. Also.«
    »Ich passe auf Leo auf«, sagte Austin überstürzt.
    »Du willst auf ihn aufpassen!« sagte Josephine und lachte wieder. »Du hast doch keine Kinder, oder? Du hast das gesagt.«
    »Ich will ihn ja nicht adoptieren«, sagte Austin. »Aber ich passe eine Stunde auf ihn auf. Dann kannst du deine Nachbarin holen, und ich führe dich zum Essen aus. Wie findest du das?« Er war voller Selbstvertrauen. Es würde alles wunderbar laufen.
    »Er mag dich nicht«, sagte Josephine. »Er mag nur seinen Vater am liebsten. Er mag nicht einmal mich.«
    »Ich bringe ihm Englisch bei«, sagte Austin. »Ich bringe ihm bei, wie man ›Chicago Cubs‹ sagt.« Er konnte spüren, wie seine Begeisterung sofort erlosch. »Wir werden richtige Freunde werden.«
    »Was ist Chicago Cubs?« sagte Josephine.
    »Das ist eine Baseballmannschaft.« Und er fühlte sich, nur einen unerwarteten Augenblick lang, trostlos. Nicht weil er wünschte, daß er zu Hause war oder daß Barbara da war oder daß irgend etwas ganz anders war. Alles war so, wie er es sich erhofft hatte. Er wünschte schlicht,

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