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Der Frauenheld

Der Frauenheld

Titel: Der Frauenheld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Ford
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er hätte die Cubs nicht erwähnt. Das war übertrieben zuversichtlich, dachte er. Es war falsch gewesen, das zu sagen. Ein Fehler.
    »Also. Gut«, sagte Josephine, die sich geschäftsmäßig anhörte. »Du kommst dann hierher? Ich gehe zu meinem Anwalt, um die Papiere zu unterschreiben. Dann haben wir vielleicht ein Abendessen zusammen, ja?«
    »Ganz genau«, sagte Austin, und alle Trostlosigkeit war verschwunden. »Ich komme sofort. Ich gehe in fünf Minuten los.« Auf der dunklen Velourswand wurde ein großes Ölgemälde von einem kleinen metallenen Strahler angeleuchtet, auf dem zwei nackte Männer sich in einem angestrengten Kuß umschlungen hielten. Keines der beiden Gesichter war zu sehen, und ihre Körper waren muskulös wie die von Gewichthebern, wobei die Genitalien durch ihre verdrehte Pose verdeckt wurden. Sie saßen auf einem Felsen, der sehr grob dargestellt war. Es war wie Laokoon, dachte Austin, nur verderbt. Er hatte sich gefragt, ob einem der beiden Männer die Wohnung gehört hatte, oder möglicherweise war der Besitzer der Maler oder der Geliebte des Malers. Er fragte sich, ob einer von ihnen an diesem Nachmittag noch lebte. Er haßte das Gemälde und hatte beschlossen, es abzuhängen, bevor er Josephine hierherbrächte. Und das war es, was er vorhatte – sie hierherzubringen, heute abend, wenn möglich, und sie bis zum Morgen bei sich behalten, wenn sie dann losgehen und in der kühlen Sonne im Deux Magots sitzen und Kaffee trinken konnten. Wie Sartre.
    »Martin?« sagte Josephine. Er wollte gerade auflegen und das kitschige Laokoon-Gemälde abhängen. Er vergaß beinahe, daß er noch mit ihr redete.
    »Was? Ich bin hier, Süße«, sagte Austin. Obwohl es auch witzig sein könnte, es hängen zu lassen. Es könnte das Eis zwischen ihnen brechen, ihnen etwas geben, worüber sie sich auslassen konnten, wie die Spiegel an der Decke, bevor die Dinge dann ernster wurden.
    »Martin, was machst du hier?« sagte Josephine in einem merkwürdigen Tonfall. »Ist alles in Ordnung?«
    »Ich bin hier, um dich zu sehen, Liebling«, sagte Austin. »Warum sonst? Ich sagte, daß ich dich bald wiedersehen würde, und so habe ich es auch gemeint. Ich bin eben einfach jemand, der sein Wort hält.«
    »Du bist aber ein sehr unkluger Mann«, sagte Josephine und lachte, nicht mehr ganz so erfreut wie zuvor. »Aber«, sagte sie. »Was kann ich machen?«
    »Du kannst überhaupt nichts machen«, sagte Austin. »Geh einfach heute abend mit mir aus. Danach mußt du mich nie wiedersehen.«
    »Ja. Okay«, sagte Josephine. »Das ist eine vernünftige Abmachung. Also. Du kommst hier zu mir. Ciao. «
    » Ciao «, sagte Austin mit eigenartiger Stimme und war sich nicht vollkommen sicher, was ciao eigentlich bedeutete.

    7 Josephines Wohnhaus war nicht besonders auffällig und lag in einer Straße mit ähnlich aussehenden alten Gebäuden, die weiße Jugendstilfassaden hatten und auf den Jardin du Luxembourg blickten. In der winzigen dunklen Eingangshalle gab es einen funktionierenden eleganten Art-déco-Fahrstuhl mit einem vergitterten Fahrkorb. Aber da Josephine im zweiten Stock wohnte, ging Austin zu Fuß, nahm zwei Stufen auf einmal, und bei jedem weitausholenden Schritt schlug das kleine grüne Paisley-Ei an sein Bein.
    Als er klopfte, riß Josephine sofort die Tür auf und warf die Arme um seinen Hals. Sie umarmte ihn, dann nahm sie sein Gesicht zwischen die Hände und küßte ihn hart auf den Mund. Der kleine Leo, der gerade von einem Zimmer ins andere gerannt war und mit einem hölzernen Trommelstock gewedelt hatte, blieb stocksteif mitten im Zimmer stehen und starrte sie an, schockiert darüber, daß seine Mutter einen Mann küßte, den er, soweit er sich erinnern konnte, noch nie gesehen hatte.
    »Jetzt muß ich mich beeilen«, sagte Josephine, ließ sein Gesicht los und eilte wieder an das offene Fenster, von dem aus man auf die Seitenstraße sah, die zum Park führte. Sie war gerade dabei, Lidschatten aufzulegen, und benutzte dazu einen winzigen Taschenspiegel und das Licht von draußen.
    Josephine trug eine schlichte weiße Bluse und merkwürdige weite Hosen, die wild durcheinander mit Zirkustieren in grellen Farben bedruckt waren. Es waren merkwürdige, unvorteilhafte Hosen, dachte Austin, und sie paßten so, daß ihr kleiner Bauch eine nicht zu übersehende runde Wölbung unter ihrem Hosenbund bildete. Josephine wirkte ein wenig dick und etwas ungepflegt. Sie drehte sich um und lächelte ihn an, während sie sich

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