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Der Frauenheld

Der Frauenheld

Titel: Der Frauenheld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Ford
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Französinnen absolut nichts anfangen und machte daraus keinen Hehl. »Typisch From-Asch«, sagte sie immer nach Abenden mit seinen französischen Kunden und deren Frauen, und tat dann so, als sei sie vollkommen angeekelt. Es war vermutlich genau das, was ihn auch an Josephine störte: daß sie eine so typische bourgeoise kleine Französin zu sein schien, der Typ, der Barbara schon nach einer Minute mißfiel – unnachgiebig, selbstbezogen, völlig eingesperrt in ihrem französischen Leben, ohne Gefühl für den Rest der Welt, vielleicht sogar kleinlich, wenn man sie länger kannte – wie ihr Ehemann herausgefunden hatte. Josephines Problem, dachte Austin, während er sich nach dem kleinen Leo umsah, war, daß sie alles in ihrem Leben zu ernst nahm. Ihre Mutterschaft. Das lächerliche Buch ihres Ehemanns. Ihren Freund. Ihr Pech. Sie betrachtete alles wie unter einem Mikroskop, als ob sie immer darauf wartet, einen Fehler zu finden, den sie dann so sehr aufblasen konnte, daß sie keine andere Wahl hatte, als das Leben weiterhin zu ernst zu nehmen. Als ob das alles war, was Erwachsensein bedeutete – Ernsthaftigkeit, Disziplin. Kein Spaß. Das Leben, dachte Austin, mußte unbeschwerter sein. Deshalb war er hierhergekommen, deshalb hatte er sich losgemacht – um das Leben etwas mehr zu genießen. Er bewunderte sich selbst dafür. Und aus diesem Grund dachte er auch, daß er nicht der Erlöser in Josephines Leben sein konnte. Das würde ein lebenslanger Kampf, und ein lebenslanger Kampf war nicht gerade das, worauf er aus war.
    Als er sich noch einmal nach Leo umsah, war der kleine Junge nicht mehr da, wo er verträumt an der Seite der größeren Jungen gestanden und zugesehen hatte, wie ihre Miniaturkutter und Galeonen über die stille Fläche des Teiches glitten. Die älteren Jungen waren noch da. Die langen Stöcke, mit denen sie die Boote steuerten, in den Händen, flüsterten sie miteinander und grinsten. Aber Leo war nirgends. Es war kühler geworden. Das Licht auf den zinnenbewehrten Dächern der Ecole Supérieure war verblaßt, und bald würde es dunkel sein. Der Mann, der fotografiert worden war, entfernte sich gerade mit dem Fotografen. Austin war in Gedanken versunken gewesen und hatte Leo aus den Augen verloren, der irgendwo, da war er sich sicher, in der Nähe war.
    Er sah auf die Uhr. Es war fünfundzwanzig Minuten nach sechs, und jetzt konnte Josephine zu Hause sein. Er sah hoch zu der Reihe der Wohnhäuser, in der Hoffnung, er könne ihr Fenster entdecken, dachte, daß er sie vielleicht dort sehen würde, wie sie ihm zuschaute, ihm glücklich zuwinkte, vielleicht mit Leo an ihrer Seite. Aber er konnte die Häuser nicht mehr voneinander unterscheiden. Ein Fenster, das er ausmachen konnte, stand offen, und drinnen war es dunkel. Aber er war sich nicht sicher. Wie auch immer, Josephine tauchte nicht im Fensterrahmen auf.
    Austin blickte sich um in der Hoffnung, daß er Leos weißes T-Shirt irgendwo aufblitzen sah, mit dem hervorschießenden roten Cadillac. Aber er sah nur einige Paare, die auf den kreidigen Wegen entlanggingen; zwei der älteren Jungen trugen ihre Segelboote nach Hause. Er hörte immer noch, wie Tennisbälle geschlagen wurden – pock, pock, pock. Und ihm war kalt, und er war ganz ruhig – es war das vertraute Gefühl, wenn die Angst begann, ein Gefühl, das sich sehr schnell in etwas anderes verwandeln und dann lange, lange anhalten konnte.
    Leo war verschwunden, und er war sich nicht sicher, wohin. Er rief »Leo« auf amerikanisch, dann »Lä-ju«, wie seine Mutter es sagte. » Où êtes-vous? « Einige Passanten sahen ihn streng an, als sie zwei Sprachen gleichzeitig hörten. Die anderen Jungen mit den Segelbooten sahen sich nach ihm um und grinsten. »Lä-ju!« rief er wieder, und er wußte, daß seine Stimme nicht normal klang, daß sie vielleicht erschrocken klang. Alle um ihn herum, alle, die ihn hören konnten, waren Franzosen, und er konnte keinem von ihnen genau erklären, was hier eigentlich passiert war; daß dies nicht sein Sohn war; daß die Mutter des Kindes im Moment nicht hier war, aber vermutlich in der Nähe; daß er einen Augenblick lang nicht aufgepaßt hatte.
    »Lä-ju«, schrie er noch einmal. » Où êtes-vous? « Er entdeckte nichts von dem Jungen, sah nirgends sein Hemd oder seinen schwarzen Haarschopf im Gebüsch aufblitzen. Kalt durchzog es seinen Körper, eine plötzliche neue Welle, und er schauderte, weil er wußte, daß er allein war. Leo, irgendeine

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