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Der Frauenheld

Der Frauenheld

Titel: Der Frauenheld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Ford
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änderte die Sache vollkommen.
    »Ich würde dich gern morgen wiedersehen«, sagte Austin sehr entschlossen.
    »Ja«, sagte Josephine beinahe kummervoll, als ob sie nicht anders konnte, als dem zuzustimmen. »Okay«
    Und er war zufrieden, daß es nichts mehr zu sagen gab. Es war, wie es sein sollte. Nichts konnte mehr schiefgehen. »Gute Nacht«, sagte Austin mit derselben Entschlossenheit wie zuvor. Er öffnete die Wagentür und zog sich hinaus auf die Straße.
    »Okay«, sagte sie. Sie sah nicht zur Tür hinaus, obwohl er sich noch einmal in die Öffnung hinunterbeugte und sie ansah. Sie hatte die Hände auf dem Lenkrad, starrte geradeaus und sah eigentlich nicht anders aus als fünf Minuten zuvor, als sie angehalten hatte, um ihn aussteigen zu lassen – etwas müde vielleicht.
    Er wollte noch ein gutes Wort sagen, das helfen könnte, was sie in diesem Augenblick spürte, ins Lot zu bringen – nicht, daß er auch nur eine Ahnung davon hatte, was in ihr vorging. Sie war undurchdringlich für ihn, vollkommen undurchdringlich, und es war nicht einmal sehr interessant. Und alles, was ihm zu sagen einfiel, war ein Satz, der so albern war, wie der vorige fatal. »Zwei Menschen sehen nicht dieselbe Landschaft.« Das waren die schrecklichen Worte, die er im Kopf hatte, auch wenn er sie nicht aussprach. Er lächelte sie bloß an, richtete sich auf, drückte die Tür fest zu und trat langsam zurück, so daß Josephine wenden und die rue de Mezières hinauffahren konnte. Er blickte ihr nach, wie sie wegfuhr, aber er konnte erkennen, daß sie ihn nicht im Rückspiegel ansah. Es war, als würde er von einem Augenblick auf den anderen überhaupt nicht mehr existieren.

    2 Es stellte sich heraus, daß die Straße, von der Austin gehofft hatte, es sei die rue de Vaugirard, die einen Bogen um Josephines Wohnung beschrieb und an ihr vorbeiführte, die rue St. Jacques war. Er war viel zu weit gegangen und befand sich in der Nähe der Medizinhochschule, wo es nur unbeleuchtete Schaufenster gab, in denen triste medizinische Fachbücher auslagen und staubige, vergessene Antiquitäten.
    Er kannte Paris nicht gut – nur ein paar Hotels, in denen er gewohnt hatte, und ein paar Restaurants, in denen er nicht wieder essen wollte. Er konnte die verschiedenen arrondissements nicht auseinanderhalten, wußte nicht, in welcher Richtung irgendein Ort im Verhältnis zu einem anderen lag oder wie man mit der Metro fuhr, oder auch nur, wie man aus der Stadt herauskam, wenn man nicht das Flugzeug nahm. All die großen Straßen sahen für ihn gleich aus und stießen in verwirrenden Winkeln aufeinander, und all die berühmten Sehenswürdigkeiten schienen an unerwarteten Stellen zu stehen, wenn sie über Häuserdächer hinweg ins Blickfeld gerieten. Während der zwei Tage, in denen er nun wieder in Paris war – nachdem er in einem Anfall von Zorn sein Haus verlassen und das Flugzeug nach Orly genommen hatte –, hatte er sich vorgenommen, sich wenigstens zu merken, in welcher Richtung auf dem Boulevard St. Germain die Hausnummern zunahmen. Aber er kam immer durcheinander, und er konnte nicht einmal immer den Boulevard St. Germain finden, wenn er es wollte.
    In der rue St. Jacques blickte er dorthin, wo er den Fluß und die Petit Pont vermutete, und da waren sie auch. Es war ein warmer Frühlingstag, und auf den Trottoirs am Flußufer drängten sich auf beiden Seiten Touristen, die an den kleinen Ständen der Bouquinisten entlangbummelten und die riesige Kathedrale auf der anderen Seite anglotzten.
    Der Blick die rue St. Jacques entlang schien für einen Augenblick vertraut – eine Apothekenfassade, die er wiedererkannte, ein Café mit einem einprägsamen Namen. Horloge. Er sah noch einmal in die Straße zurück, aus der er gekommen war, und bemerkte, daß er nur noch einen halben Block von dem kleinen Hotel entfernt war, in dem er einmal mit Barbara gewohnt hatte. Das Hotel de Tour de Notre Dame, das mit der Aussicht auf die große Kathedrale geworben hatte, aber von dem aus eine solche Aussicht gar nicht möglich war. Das Hotel wurde von Pakistanis geführt, und die Zimmer waren so klein, daß man nicht gleichzeitig den Koffer öffnen und an das Fenster gelangen konnte. Er hatte Barbara mit auf eine Geschäftsreise genommen – das war jetzt vier Jahre her –, und sie war einkaufen gegangen und hatte Museen besichtigt und am Quai de la Tournelle zu Mittag gegessen, während er seine Kunden aufgesucht hatte. Sie waren so lange wie möglich

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