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Der Frauenheld

Der Frauenheld

Titel: Der Frauenheld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Ford
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letzte auf der Welt, was sie interessierte. Sie war Französin. Er wußte nichts über Französinnen. Eine Illusion potentieller Intimität war wahrscheinlich das, was alle französischen Frauen ausstrahlten, und jeder wußte es. Möglicherweise interessierte sie sich überhaupt nicht für ihn und verbrachte bloß irgendwie die Zeit. Es gefiel ihm sogar, eine so vielschichtige Betrachtung anzustellen.
    Sie beendeten ihr Essen in einem nachdenklichen, bedeutungsschweren Schweigen. Austin fühlte sich bereit, ein Gespräch über sein eigenes Leben zu beginnen – über seine Ehe, ihre Dauer und Intensität, über seine Gefühle sich selbst und seiner Ehe gegenüber. Er wollte gern über die beklemmende, nicht recht zu begründende Empfindung sprechen, die er kürzlich gehabt hatte, nämlich, daß er nicht genau wußte, wie er die nächsten fünfundzwanzig Jahre seines Lebens so ereignisreich und bedeutungsvoll gestalten sollte wie die vorausgegangenen fünfundzwanzig, eine Empfindung, die mit der Hoffnung einherging, daß es ihm nicht an Mut fehlen würde, wenn sein Mut gefordert war, und mit der Gewißheit, daß jeder sein Leben ganz und gar in den eigenen Händen hielt und gezwungen war, mit den eigenen Ängsten und Fehlern zu leben, etc. Nicht, daß er mit Barbara unglücklich war oder daß ihm irgend etwas fehlte. Er war nicht der auf übliche Weise verzweifelte Mann, der sich gerade aus einer Ehe löste, die nur noch langweilig war. Nein, Barbara war die interessanteste und schönste Frau, die er kannte, der Mensch, den er am meisten bewunderte. Er suchte nicht nach einem besseren Leben. Er suchte überhaupt nichts. Er liebte seine Frau, und er hoffte, Josephine Belliard eine andere menschliche Perspektive bieten zu können als die, die sie vielleicht gewohnt war.
    »Niemand denkt deine Gedanken für dich, wenn du abends den Kopf auf dein Kissen legst«, war eine ernüchternde Redewendung, die Austin oft an sich selbst oder die wenigen Frauen richtete, mit denen er seit seiner Heirat zusammengewesen war – und auch an Barbara. Er war bereit, ein offenes Gespräch dieser Art zu beginnen, wenn Josephine ihn nach seinem Leben fragte.
    Aber das Thema kam nicht zur Sprache. Sie fragte ihn nicht nach seinen Gedanken oder sonst in irgendeiner Weise nach seiner Person. Sie redete nicht einmal über sich selbst. Sie redete über ihren Job, über ihren Sohn Leo, über ihren Ehemann und über Freunde von ihnen. Er hatte ihr erzählt, daß er verheiratet war. Er hatte ihr sein Alter genannt, erzählt, daß er an der University of Illinois studiert hatte und in der Kleinstadt Peoria aufgewachsen war. Aber sie schien ganz zufrieden, nicht mehr zu wissen. Sie war sehr freundlich und schien ihn zu mögen, aber sie ließ sich kaum auf ihn ein, was er ungewöhnlich fand. Sie schien ernstere Dinge im Kopf zu haben und das Leben ernst zu nehmen – eine Eigenschaft, die Austin mochte. Es machte sie sogar auf eine Weise anziehend für ihn, wie sie es anfangs nicht gewesen zu sein schien, als er nur darüber nachgedacht hatte, wie sie aussah und ob er mit ihr schlafen wollte.
    Aber als sie nach draußen zu ihrem Wagen gingen, den Bürgersteig entlang, an dessen Ende die hellen Lichter des Gare de l’Est und des um elf Uhr abends von Taxis wimmelnden Boulevard Strasbourg zu sehen waren, hakte Josephine sich bei ihm unter und schmiegte sich an ihn, legte die Wange an seine Schulter und sagte: »Es ist alles so verwirrend für mich.« Und Austin fragte sich: Was war alles so verwirrend? Nicht er. Er war nicht verwirrend. Er hatte beschlossen, ihr ein Begleiter mit besten Absichten zu sein, und das war etwas sehr Ehrenwertes unter diesen Umständen. Es gab schon genug Verwirrung in ihrem Leben. Ein abwesender Ehemann. Ein Kind. Allein durchkommen zu müssen. Das war genug. Dennoch löste er seinen Arm aus ihrem Griff, legte ihn ihr um die Schulter und zog sie dicht an sich, bis sie ihren kleinen schwarzen Opel erreichten und einstiegen, wo die Berührungen dann aufhörten.
    Als sie sein Hotel erreichten, ein ehemaliges Kloster mit einem von Mauern umgebenen Sonnenhof mit Garten, zwei Blocks von der großen beleuchteten Kreuzung von St. Germain und der rue de Rennes entfernt, hielt sie den Wagen an und saß da und starrte geradeaus, als warte sie darauf, daß Austin ausstieg. Sie hatten nicht davon gesprochen, sich noch einmal zu treffen, und er sollte in zwei Tagen abreisen.
    Austin saß im Dunkeln, ohne zu sprechen. An der nächsten

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