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Der Frauenheld

Der Frauenheld

Titel: Der Frauenheld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Ford
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auszuruhen, um Dinge zu unternehmen, für die er sich noch nie Zeit genommen hatte. Vielleicht das Haus von Monet besuchen, sagte er. Wie ein Tourist durch die Straßen wandern. Ein Auto mieten. Nach Fontainebleau fahren.
    Mit Josephine Belliard, so beschloß er, würde er jede freie Minute verbringen. Er glaubte nicht einen Augenblick lang, daß er sie liebte, oder daß die Tatsache, daß sie sich gegenseitig Gesellschaft leisteten, für ihn oder sie zu irgend etwas wirklich Wichtigem führen würde. Er war verheiratet; er konnte ihr nichts geben; sich über so etwas hinwegzutäuschen, würde nur Ärger bringen – die Art von Ärger, über den man sich hinwegsetzte, wenn man jünger war, den man aber, wenn man älter war, nur auf eigene Gefahr ignorieren konnte. Angesichts von solchem Ärger zu zaudern, das fühlte er, war wahrscheinlich eine Tugend.
    Aber sonst tat er alles, was er nur konnte. Sie gingen zusammen ins Kino. Sie gingen ins Museum. Sie besuchten Notre Dame und den Palais Royal. Sie spazierten zusammen durch die schmalen Straßen des Faubourg St. Germain. Sie blieben vor Schaufenstern stehen. Sie verhielten sich wie ein Liebespaar. Berührten sich. Sie erlaubte ihm, ihre Hand zu halten. Sie wechselten wissende Blicke. Er wußte, worüber sie lachen mußte, er hörte genau auf die kleinen Dinge, bei denen sie stolz und verletzbar reagierte. Sie verhielt sich so, wie sie es schon vorher getan hatte – sie schien nicht interessiert, aber willig –, als ob das alles seine Idee war und ihre Pflicht, aber eine Pflicht, die ihr überraschenderweise gefiel. Austin hatte das Gefühl, daß gerade diese Zurückhaltung sie attraktiv, unwiderstehlich machte und ihn in einer Weise um sie werben ließ, daß er seine eigene Intensität bewundern mußte. Er führte sie zweimal zum Essen in teure Restaurants aus, begleitete sie in ihre Wohnung, lernte ihren Sohn und die Frau vom Lande kennen, die sie dafür bezahlte, daß sie unter der Woche auf den Sohn aufpaßte, sah, wo sie wohnte, schlief, aß, blickte aus dem Fenster ihrer Wohnung auf den Jardin du Luxembourg und hinunter auf die friedlichen Straßen ihres Viertels. Er betrachtete ihr Leben, das ihn, wie er selbst feststellte, neugierig machte und das ihm, als er seine Neugier befriedigte, das Gefühl gab, als ob er etwas geleistet hätte, etwas, was nicht leicht zu machen und außergewöhnlich war.
    Sie erzählte ihm nicht viel mehr von sich selbst und stellte ihm auch keine Fragen, als ob sein Leben für sie nicht zählte oder ganz einfach nicht existierte. Sie erzählte ihm, daß sie einmal in Amerika gewesen war, einen Musiker in Kalifornien kennengelernt und beschlossen hatte, mit ihm zusammenzuleben in seinem kleinen Holzhaus am Strand von Santa Cruz. Das war in den frühen siebziger Jahren gewesen. Sie war damals ein Teenager. Eines Tages aber – es war nach vier Monaten – erwachte sie morgens im Flur auf einer Matratze, mit einem gegerbten Kuhfell als Decke, stand auf, packte ihre Tasche und ging.
    »Dies war zuviel«, sagte Josephine, saß auf dem Fenstersims ihres Appartements, blickte in die Dämmerung hinaus und auf die Straßen, wo Kinder mit einem Fußball kickten. Der Musiker sei verstört und wütend gewesen, sagte sie, aber sie sei nach Frankreich und in das Haus ihrer Eltern zurückgekehrt. »Man kann nicht lange dort leben, wo man nicht hingehört. Stimmt nicht?« Sie sah ihn an und zog die Schultern hoch. Er saß in einem Sessel, trank ein Glas Rotwein, betrachtete die Dächer, genoß den Anblick, wie das goldbraune Licht auf den feinen Schnörkeln der Karniese des Appartementgebäudes gegenüber spielte. Vom Plattenspieler ertönte leise Jazz. Ein verschlungenes Saxophonsolo. »Stimmt nicht, nein?« sagte sie. »Man kann nicht.«
    »Ganz richtig«, sagte Austin. Er war in Peoria, Illinois, aufgewachsen. Er wohnte jetzt im Nordwesten Chicagos. Er hatte eine staatliche Universität besucht. Er hatte das Gefühl, daß sie absolut recht hatte, obwohl er nichts Falsches darin erblickte, in diesem Augenblick hier zu sein, das Sonnenlicht zu genießen, während es allmählich verblaßte und dann von den Dächern der Häuser verschwand, die er vom Zimmer dieser Frau aus sehen konnte. Es schien erlaubt. Es schien perfekt.
    Sie erzählte ihm von ihrem Ehemann. Sein Bild hing an der Wand in Leos Zimmer – ein knollennasiger, dunkelhäutiger Jude mit einem dicken schwarzen Schnurrbart, der ihn wie einen Armenier aussehen ließ. Etwas enttäuschend,

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