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Der Frauenjäger

Der Frauenjäger

Titel: Der Frauenjäger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Hammesfahr
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Geist die Hose ausziehen sah – kam ihr der Gedanke, mit einer Stiefelette zu versuchen, was mit dem Kunstlederbeutel nicht gelingen wollte.
    So kam die an den Knien durchgescheuerte Strumpfhose doch noch zum Einsatz. Sie kroch wieder ein Stück zurück bis zu einer sicheren Stelle. Während sie sich auszog, schlugen ihr die Zähne aufeinander. Kälte und Nässe machten die Grotte zu einem nicht eben behaglichen Ort. Und obwohl sie sich rasch wieder anzog, wollte das Zähneklappern danach nicht mehr aufhören. Ohne die schützende Strumpfhose pappte der feuchte Wollstoff wie ein Eiswickel auf der Haut.
    Mit zittrigen Fingern fummelte sie die Füßlinge der Strumpfhose durch die beiden Zierschlaufen am Schaft der Stiefelette, über die Karola gelästert hatte: «Willst du Rodeo reiten? Die sehen ja aus wie Westernstiefel. Das ist doch gar nicht dein Stil.»
    Vielleicht nicht ihr Stil, aber jetzt schien es ihre Rettung. Zwei Knoten geknüpft, kräftig an jedem gezogen, um zu testen, dass sie etwas Gewicht aushielten. Den Slipteil wickelte sie um die rechte Hand und hielt den durch Zusammendrehen der Beinlinge entstandenen Strang fest in der Faust, damit ihr das provisorische Eimerchen nicht entglitt.
    Dann legte sie sich wieder auf den Bauch und robbte erneut zentimeterweise an den Kessel heran, wobei sie immer zuerst die Stiefelette ein Stückchen nach vorne schubste, ehe sie sich selbst vorwagte. Viel schneller als erwartet spürte sie den Zug inder Faust, als die Stiefelette nach unten fiel. Wie sie aufs Wasser traf, war in dem Getöse nicht zu hören. Es wurde nur schwer in der Hand, als sie eintauchte und sich füllte.
    Das wärmende, aber trotzdem dünne Baumwoll-Stretchgewebe dehnte sich, als Marlene ihr Noteimerchen heraufzog. Ganz langsam, überaus vorsichtig und geplagt von der Horrorvorstellung, dass die Strumpfhose riss oder an der scharfen Felskante durchscheuerte. Oder dass sie die Stiefelette nicht mit der Öffnung nach oben über die Kante brachte.
    Aber es ging alles gut. Als wäre das Glück nun, wo sie endlich wusste, dass es um ihr Leben ging, auf ihrer Seite. Und es war pures Glück, den Stiefel anzusetzen und das eiskalte Nass in den Mund rinnen zu lassen. Es schmeckte fast wie Mineralwasser. Sie trank langsam und in kleinen Schlucken.
    Nachdem der ärgste Durst gelöscht war, wusch sie mit dem Rest ihre Hände. Den leeren Stiefel schubste sie gleich nochmal über die Kante, zog ihn gefüllt nach oben und suchte ein möglichst ebenes, sicheres Fleckchen, auf dem sie ihn abstellen konnte. Dann löste sie vorsichtig die Knoten und verband die Strumpfhose mit der zweiten Stiefelette.
    Für die beutelartige Handtasche fand sie danach eine andere, nützliche Verwendung. Mit dem scharfkantigen Stein säbelte sie den Beutel in zwei Hälften. Das dauerte zwar ein Weilchen, und sie fühlte sich dabei wie eine blinde Neandertalerin. Aber ihr wurde wieder etwas wärmer. Und inzwischen hatte sie sich fast daran gewöhnt, überhaupt nichts zu sehen, kam für ihr Empfinden gut zurecht. Fragte sich nur, wie lange noch.
    Doch darüber wollte sie nicht nachdenken, als sie sich eine Hälfte des zerteilten Beutels mit dem Schulterriemen um das rechte Knie band. Die andere Hälfte wurde zum Knieschützer für das linke Bein, gehalten von dem Schlüsselband, nachdem sie mit dem Stein Schlüssel und Christophorus-Plakette abgeschnitten und in eine Hosentasche gesteckt hatte. So waren dieSchmerzen etwas erträglicher, als sie aufbrach, um herauszufinden, was es mit dem grünen Glimmen auf sich hatte.

16.   Januar 2010 – Samstagabend
    Karolas Bericht von Drohanrufen im Sender schien keinen mehr zu interessieren. Fast tat sie Marlene leid, aber nur fast. Es interessierte Karola nämlich auch nicht, dass von ihren sechs Gästen vier nicht mehr zuhörten.
    «Kurz darauf rief der Kerl ein zweites Mal im Sender an», erzählte sie Marlene und Ulla. «Er besaß sogar die Dreistigkeit, sich auf den ersten Anruf zu berufen. Ich hätte seine Frage nicht beantwortet, sagte er. Aber er wollte nicht nochmal zu mir durchgestellt werden, nur verkünden, dass er mir in Kürze das Schandmaul stopfen würde, damit ich nicht noch ein Weib, das unter die Erde gehöre, in den Himmel heben ließe. Jörg saß in der Technik und hat mitgeschnitten. Unter anderem sagte der Kerl: ‹Wenn Frau Jäger gleich aus ihrem Kabuff kommt, richten Sie ihr aus, beim nächsten Mal geht
Killing Me Softly
mit einem schönen Gruß von Karola über den

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