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Der Frauenjäger

Der Frauenjäger

Titel: Der Frauenjäger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Hammesfahr
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farbenprächtige Buchcover stellte er den Reiseführer zurück ins Regal und wollte wissen: «Was denken die Leute sich, wenn sie Urlaub machen? Hauptsache sonnig und billig. Das ist doch eine Zumutung für die Zimmermädchen.» Damit verließ er die Bücherstube ebenfalls.
     
    Nun fand Annette Zeit für eine private Unterhaltung. Von der Amputation wusste sie bereits. Matthias war während seiner Frühstückspause in der Bücherstube gewesen und hatte erzählt, das Krankenhaus habe schon kurz nach sechs angerufen, weil in der Nacht eine Komplikation aufgetreten sei. Matthias hätte die Zustimmung zur Operation geben sollen, weil Thomas noch minderjährig war und sich auf gar keinen Fall ein Bein abschneiden lassen wollte.
    «Ausgerechnet Matthias», sagte Annette. «Er hat es natürlich auf Ulla abgeschoben. Sie hat sich sofort ein Taxi gerufen und ist hin. Matthias hat sich erst auf den Weg gemacht, als es überstanden war. Kurz vor eins kam er nochmal rein, um Bescheid zu sagen. Er war total durch den Wind, heulte wie ein Kettenhund. Stell dir vor, sie mussten oberhalb des Knies amputieren.»
    «Furchtbar», sagte Marlene.
    Annette nickte zustimmend. «In Ullas Haut möchte ich jetzt wirklich nicht stecken. Das verzeiht der Knabe ihr nie. Irgendwie habe ich ein schlechtes Gewissen.»
    «Wieso?», fragte Marlene verblüfft.
    Annette zuckte mit den Achseln und lächelte ein klein wenig entrückt. «Na ja, der Pleitegeier küsste damals wie Rhett Butler, und was er mit seinen Händen anstellte, war phänomenal. Wenn er das nicht verlernt hat, verstehe ich sehr gut, dass Ulla an ihm klebt wie eine Fliege am Honigglas. Wenn ich nichts dagegen gehabt hätte, Wachsreste vom Badewannenrand zu schaben   …»
    Den Rest ließ Annette offen. Marlene fragte sich flüchtig, woher Annette wissen wollte, wie Rhett Butler küsste, aber es war kaum der richtige Moment, sich danach zu erkundigen.
    Das merkwürdig verträumte Lächeln erlosch, Annettes Stimme gewann die gewohnte Festigkeit zurück. «Da ist etwas gewaltig schiefgelaufen, wenn du mich fragst. Welche Komplikationen sollen denn in der Nacht aufgetreten sein?»
    «Es waren komplizierte Brüche», gab Marlene wieder, was sie von Ullas Mutter gehört hatte.
    «Es waren gerichtete Brüche», hielt Annette dagegen. «Wahr scheinlich haben sie ein Bein falsch gerichtet. Aber beweis den Ärzten mal, dass sie gepfuscht haben. Das ist ja auch eine Kostenfrage. Eine Rechtsschutzversicherung haben sie nicht, auch keine Unfallversicherung. Christoph hat ihnen dazu geraten. Ulla hielt es für überflüssig. Ein nur mäßig motivierter Siebzehnjähriger mit einem miserablen Abschlusszeugnis und nur noch einem Bein, dem steht jetzt natürlich die ganze Berufswelt offen. Maschinenbau kann er vergessen. Und für einen Schreibtischjob ist der doch viel zu blöd.»
    «Es gibt gute Prothesen», sagte Marlene.
    «Ja», stimmte Annette zu, «wenn man gut versichert ist. Sonst kriegt man welche aus China.»
    «Das verwechselst du mit Zahnersatz», meinte Marlene.
    «Das glaubst aber auch nur du», widersprach Annette. «Und du bräuchtest dir nicht mal Gedanken zu machen, wenn du beide Beine ab der Hüfte verlierst. Werner würde dir drei Chinesen kaufen, die dich abwechselnd herumtragen.»
    Diese dumme Bemerkung verletzte Marlene tiefer, als sie sich eingestehen mochte. Man konnte ihr doch nicht zum Vorwurf machen, dass Werner sie am liebsten auf eigenen Händen durchs Leben getragen hätte und sich mehr leisten konnte als seine Freunde.
    Alle hatten sie im Laufe der Zeit ihre Schwächen und mehr oder minder gravierende Schattenseiten offenbart. Andreas mit seiner Abenteuerlust war ein Kapitel für sich. Bei Matthias waren es die Neigung zu hochstaplerischen Höhenflügen sowie der Leichtsinn im Umgang mit Geld und Ullas Autoschlüssel, den man getrost als Verantwortungslosigkeit bezeichnen durfte. Hinzu kam, dass Matthias in keiner Weise belastbar war, wie sich am frühen Morgen wieder gezeigt hatte. Wenn es kritisch wurde, verwandelte er sich sofort vom charmanten Großkotz in einen nutzlosen Jammerlappen. Annette hatte schon mehr als einmal festgestellt: «Matthias fährt die Karre in den Dreck, Ulla darf sie rausziehen und wieder flottmachen. Es bleibt immer alles an ihr hängen.»
    Aber Annette war das Lachen mit Christoph auch irgendwann vergangen. Kurz nach dem Männertausch damals hatte sie noch gesagt: «Ein bisschen mollig finde ich ganz nett, sogar sexy. Aber einen Schwabbel

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