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Der Frauenjäger

Der Frauenjäger

Titel: Der Frauenjäger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Hammesfahr
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zwei Dutzend Kundinnen angerufen.»
    Damit klärte sich die Sache halbwegs. Es ging um eine Lesung. Solche Veranstaltungen leistete Annette sich zweimal jährlich. Ein teurer Spaß für eine kleine Buchhandlung: Autorenhonorar, Reisespesen, in der Regel eine Hotelunterbringung und Werbemaßnahmen wie Anzeigen in der regionalen Presse.
    Doch der Einsatz zahlte sich auf längere Sicht aus. So viel kulturelle Abwechslung gab es in der Stadt nicht. Mit vierzig bis fünfzig Zuhörerinnen und einer Handvoll Zuhörern konnte man rechnen. Einige kauften unmittelbar nach der Veranstaltung, weil es dann die Möglichkeit gab, das Buch signieren zu lassen.
    Die Lesungen begannen um sechs, und spätestens um acht mussten alle draußen sein, weil dann das Einkaufscenter geschlossenwurde. So war das Publikum genau zur richtigen Fernsehzeit wieder daheim. Und Annette konnte am nächsten Morgen in der Zeitung lesen, dass sie eine engagierte Buchhändlerin war, die der Stadt wieder ein kleines Highlight beschert hatte. Das kurbelte den Verkauf nochmal an.
    Doch diesmal stellte sich die Frage, ob Annette mit der Presse und einem nennenswerten Publikum rechnen durfte. Sie war nervös, wusste nicht, ob drei Dutzend Klappstühle reichten, und befürchtete, es könnten zwei Dutzend zu viel sein.
    «Heute früh habe ich Karola noch schnell das Versprechen abgenommen, in ihrer Sendung die Werbetrommel zu rühren», sagte sie. «Du weißt nicht zufällig, was sie gesagt hat?»
    Marlene war ziemlich sicher, nichts von einer Lesung gehört zu haben, nur etwas von depressiven Frauen und merkwürdigen Liebhabern. Sie hatte zwar nicht die ganzen drei Stunden lang aufmerksam zugehört. Aber es war gut denkbar, dass es Karola im Moment nicht kümmerte, ob der Abend für Annette ein Erfolg war oder eine Fehlinvestition. Das Verhältnis zwischen den beiden war in letzter Zeit gespannt. Den genauen Grund kannte Marlene nicht, hatte nur eine Vermutung.
    Karola verdiente beim Lokalsender kein Vermögen, hatte ein Haus mit Reparaturstau, ein zehn Jahre altes Auto und zwei Töchter in kostspieligem Alter. Stefanie sah mit ihren zweiundzwanzig zwar aus wie zwölf. Aber was die Ansprüche anging, wusste sie entschieden besser als ihre siebzehnjährige Schwester, wie man bei Mutti etwas lockermachte.
    Der Probeschuss studierte und bekam BAföG, das reichte vorne und hinten nicht. Karola musste jeden Monat etwas zuschießen, weil ihre Älteste sich in Köln eine winzige, aber teure Wohnung mit ihrem Freund teilte, einem kleinwüchsigen Inder, der mit Vornamen Atmajyoti hieß. Seinen Nachnamen hatte Karola noch nie erwähnt, wahrscheinlich war der unaussprechlich.
    Große Sprünge konnte Karola wirklich nicht machen. Und sie erwartete, dass Annette sich in puncto Bücher ihr gegenüber großzügig zeigte. Ganz gleich, welche Bücher sie interessierten, Karola setzte voraus, dass Annette ihr die meisten ohne Bezahlung überließ. Ansonsten hieß es: «Da würde ich gerne mal reinschauen. Ich nehm’s mit, einverstanden?»
    Annette tat das oft genug. Und sie erwartete im Gegenzug, dass Karola bei ihren Buchbesprechungen im Radio erwähnte, wo sie die Lektüre geschnorrt hatte. Doch das war für Karola angeblich ein Riesenproblem, weil
Annettes Bücherstube
nicht die einzige Buchhandlung im Kreis war und andere sich schon wiederholt beim Sender beschwert hatten.
    Marlene schüttelte den Kopf und log: «Ich hatte am Vormittag das Radio nicht an.»
    «Ach», wunderte sich Annette und meinte: «Wir werden sehen. Wenn wir nur unter uns sind, habe ich eben diesmal Pech.»
    Marlenes Anwesenheit wurde demnach vorausgesetzt. Bisher war sie immer dabei gewesen, freute sich sogar jedes Mal über die Abwechslung. Doch diesmal stand ihr nicht der Sinn nach einem unterhaltsamen Abend in der Bücherstube. Sie knabberte immer noch an der Bemerkung über die drei Chinesen und fühlte sich übergangen, nicht mal einen kurzen Anruf wert. Annette hatte sich wohl darauf verlassen, dass sie Radio hörte und von Karola ins Bild gesetzt wurde.
    «Mit mir rechnest du besser nicht», sagte sie. «Ich fahre heute Abend zu Ulla. Wenigstens eine von uns sollte ihr jetzt beistehen.»
    «Vergiss es», parierte Annette den winzigen Nadelstich. «An Ulla kommt zurzeit keiner ran. Sie igelt sich in der Firma ein. Matthias sagte, gestern Abend sei sie erst nach elf heimgekommen und sofort ins Bett gegangen. Und nach der OP heute saß sie schon wieder am Schreibtisch, als sie Matthias

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