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Der Frauenjäger

Der Frauenjäger

Titel: Der Frauenjäger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Hammesfahr
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schnell abhängig wurde. Das wusste sie selbst und wollte in dieser Hinsicht kein Risiko eingehen. Abgesehen davon bekam es ihrem Magen nicht, hatte regelmäßig morgens diesen unangenehmen Druck zur Folge. Schon aus dem Grund lag sie lieber stundenlang wach neben ihm.
    Wenn er unterwegs war und nicht die Gefahr bestand, dass er aufwachte, ihr folgte und wissen wollte, was denn schon wieder los sei, ging sie nach unten und las ein paar Seiten, bis ihre Augenlider schwer genug waren, um den nächsten Versuch zu starten. Oft genug schlief sie auch beim Lesen auf der Couch ein und erwachte erst, wenn die Kinder frühmorgens herunterkamen.
    Erst wenn sie drei, vier Nächte hintereinander kaum geschlafen hatte und nicht mehr in der Lage war, Orangensaft einzugießen, ohne auf den Tisch zu kleckern, wenn ihr tagsüber der Schädel vor Müdigkeit brummte und sie immer wieder das Gefühl hatte, ihr Gehirn hätte eben für einen Moment abgeschaltet, griff sie abends zu der Packung, weil sie genau wusste: Sie konnte so erschöpft sein, dass ihr die Augen von alleine zufielen, sie konnte im Sitzen auf der Couch einschlafen, kaum dass ihr Kopf die Rückenlehne berührte; sobald sie hinaufging und sich ins Bett legte, war sie hellwach, ihr ganzer Körper kribbelte, als hätte man sie unter Strom gesetzt. Und irgendwo in ihrem Hinterkopf fragte eine abfällige, spöttische Stimme: «Wovon bist du denn müde? Vom Nichtstun?»
    Sie zermarterte sich das Hirn, doch ihr wollte nicht einfallen, ob sie am vergangenen Abend eine Tablette genommen hatte. Ihr wurde nur bewusst, dass sie nicht einmal mit Sicherheit sagen konnte, was für ein Tag gestern gewesen war.

13.   Januar 2010 – später Mittwochnachmittag
    Nachdem Marlene ihren Van entladen und alles in der Bücherstube abgeliefert hatte, fuhr sie heim und überlegte, ob sie Werner mitteilen sollte, dass sie zwischen halb sechs und halb neun nicht zu Hause war. Wenn er sich während dieser Zeit telefonisch meldete, nahm niemand ab. Und wenn er wider Erwarten eine frühere Maschine erreichte, traf er niemanden im Haus an. Leonard kam nie vor halb neun vom Training. Und Johanna blieb garantiert auch in der Bücherstube, bis Annette alle rauswarf.
    Irgendwie reizte sie die Vorstellung, dass Werner in ein verlassenes Haus kam und keinen Hinweis auf ihren Verbleib fand. Ob er sich gleich Sorgen machte? Wohl kaum, er würde bestimmt schnell herausfinden, wo sie steckte. Also griff sie zum Telefon. Sein Handy war nicht eingeschaltet, war es eigentlich nie, weil er meist mit Kunden zusammen, im Auto oder im Flieger saß. In der Luft und auf den Autobahnen lernte er Fremdsprachen per Kopfhörer. Sie hinterließ ihm eine Nachricht auf der Mailbox.
    Dann machte sie sich auf die Suche nach
Monas Tagebuch.
Sie war ziemlich sicher, es gekauft zu haben. Lange musste sie nicht suchen. Wie nicht anders zu erwarten, lag es recht weit unten im Stapel auf dem Beistelltisch neben dem Zweisitzer im Wohnzimmer.
    Ihr fiel ein, dass Annette ihr das Bändchen im August oder September zusammen mit der Schmidt-Biographie und dem angeblich heiteren Urlaubsbericht in die Hand gedrückt und gesagt hatte: «Das musst du unbedingt lesen, Marlene. Irre spannend, sag ich dir.»
    Es waren nur knapp zweihundert Seiten zwischen zwei dünnen Pappdeckeln. Den vorderen verunzierte unter dem Namen der Autorin und dem Titel die Aufnahme einer schwarzhaarigenFrau mit Pagenkopf. Das Gesicht war nicht direkt hässlich, aber so schmal, bleich und hohläugig, dass es aussah wie das einer Leiche. Schon davon fühlte Marlene sich abgestoßen.
    Dem kurzen Text auf dem hinteren Einband war zu entnehmen, dass die fünfunddreißigjährige Mona T. alles hatte, wovon andere träumten: einen liebevollen Ehemann, keine finanziellen Sorgen, auch keine anderen. Trotzdem erkrankte Mona an einer schweren Depression, begann eine verhängnisvolle Affäre mit einem mysteriösen Mann und verschwand kurz darauf spurlos.
    Wahrscheinlich hatte Karola am Vormittag mit den depressiven Frauen und den merkwürdigen Liebhabern doch auf die Lesung hingewiesen. Doch dass Leute spurlos verschwanden, um sich woanders ein neues Leben mit oder ohne neuen Partner aufzubauen, passierte eben. Auch Menschen, die nicht schwermütig waren, hatten irgendwann keine Lust mehr auf das, was andere für erstrebenswert hielten. Andreas war doch das beste Beispiel.
    Nur Annette konnte so etwas als «irre spannend» bezeichnen.
Endlich vierzig
hatte sie empfohlen mit der

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