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Der Frauenjäger

Der Frauenjäger

Titel: Der Frauenjäger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Hammesfahr
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Behauptung, es sei flott und spritzig geschrieben. Flott traf womöglich zu. Bei der Lektüre hatte Marlene zumindest den Eindruck gewonnen, als hätte die Autorin den Text mal eben so heruntergeschludert und danach keinen Blick mehr darauf geworfen.
    Aber als Buchhändlerin musste Annette verkaufsfördernde Floskeln enthusiastisch über die Lippen bringen, wenn sie ihre Ware loswerden wollte. Das nahm Marlene ihr nicht übel, meist empfahl Annette ihr ja auch wirklich fesselnde Lektüre wie den Thriller von Peter James, den sie zurzeit las.
    Thriller waren ihr am liebsten, solange nicht jede Scheußlichkeit bis ins kleinste Detail geschildert wurde. Aber wenn das Leben der Akteure völlig auf den Kopf gestellt wurde und die halbe Zeit am seidenen Faden hing, fand sie ihr eigenes entspannend und keinesfalls langweilig oder öde. Wer wollte sichdenn allen Ernstes von Schwerverbrechern oder Serienmördern jagen, entführen, quälen und mit widerlichen Todesarten bedrohen oder gar um die Ecke bringen lassen?
    Noch war Zeit, einen Blick in das Büchlein zu werfen und dabei eine Kleinigkeit zu essen. Sie machte sich einen Milchkaffee und einen Toast mit Käse, setzte sich mit der Lektüre an den Küchentisch und las erst mal das Vorwort.
    Meine Schwester Mona verschwand am 25.   Juli 2006.   Am Vorabend hatten wir noch miteinander telefoniert. Über Reisepläne sprach Mona bei der Gelegenheit nicht. Sie hatte auch vorher nichts gesagt, was vermuten ließe, dass sie ihren Mann verlassen wollte. Ihre Garderobe war vollzählig vorhanden, soweit mein Schwager das beurteilen konnte.
    Kosmetika, Zahnbürste, Föhn und andere Dinge des täglichen Bedarfs hatte Mona ebenfalls zurückgelassen. Sie kann nicht beabsichtigt haben, länger wegzubleiben. Ihre E C-Karte war zuletzt am 20.   Juli, fünf Tage vor ihrem Verschwinden, benutzt worden. Danach kam die Karte nicht mehr zum Einsatz, ihre Kreditkarten ebenfalls nicht.
    Monatelang hörten wir nichts von Mona. Erst Mitte Dezember wurde meinem Schwager ein luftgepolsterter Umschlag ohne Absenderangaben zugestellt. Laut Poststempel kam die Sendung aus Madrid. Im Umschlag befand sich weiter nichts als eine Tonbandkassette. Mona spricht darauf mit schwacher, gepresster Stimme und großen Pausen.
    «Mein Bein ist gebrochen. – Ich werde sterben. – Verzeih mir, Josch. – Ich wollte das nicht so.»
    Damit war klar, welches Band Annette gemeint hatte. Aber dass sie so etwas ernst nahm. Ein gebrochenes Bein mochte zu Komplikationen führen, wie Ullas Sohn bewies. Nur starb man nicht daran, vorher wurde amputiert.
    Und Andreas hatte auch nichts mitgenommen, nicht mal seine Outdoor-Hosen, nur das Geld vom Sparbuch, als er im Mai2006 verschwunden war. Angekündigt hatte er ebenfalls nichts, wohl nur bei der Geschäftsleitung eine Andeutung gemacht. Man informierte ja auch nicht alle Freunde und die Familie, wenn man vorhatte, sich abzusetzen.
    Marlene blätterte einige Seiten weiter und blieb an einem der Textstücke hängen, denen das Buch seinen Titel verdankte. Die Passage lautete:
    Tagebucheintrag vom 13.   März 2006.
    Dieses Leben bringt mich um. Es ist wie eine Route durch die Wüste. Ab und zu ein verdorrter Busch am Rand der Piste, hin und wieder eine winzige Oase. Und wir hetzen von Busch zu Busch, genießen für kurze Zeit den dürftigen Schatten, eine Handvoll Wasser für die heiße Stirn, einen Schluck für die trockene Kehle, welch ein Genuss, welch eine Freude. Dann schleppen wir uns weiter zum nächsten Busch und zur nächsten Oase. Und niemand denkt daran, dass er in der Sonne verdorren könnte, ehe er das Ende seiner Route erreicht.
    Ich denke zu oft daran. Es kann nicht mehr lange dauern, dann bin ich vollkommen ausgetrocknet, zu müde, um weiterzuhetzen, zu erschöpft für die nächste Stunde. Und wenn ich zurückschaue, sehe ich nur Staub und Sonne, flirrende Hitze und die schlammigen Wasserlöcher, an denen wir kurz Rast machten.
    Josch hat es wieder nicht geschafft, pünktlich heimzukommen. Es gab ein Problem mit der Maschine, sie hingen stundenlang in Lissabon fest. Und dann waren es eben nur noch zwei Tage für uns. Wo sind sie geblieben? Und wo sind all die anderen Tage, die wir zusammen verbringen wollten? Viele waren es nicht. Und die wenigen haben wir einfach gelebt. Ein paar kurze Eindrücke sind haftengeblieben, aber hätte ich sie nicht aufgeschrieben, hätte ich sie längst vergessen.
    Wieder drängte sich Marlene der Vergleich mit Andreas auf. Eine

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