Der Frauenjäger
auf sich ziehen und eine heiße Diskussion anzetteln.
Karola, deren Mann sich vor dreieinhalb Jahren aus dem Staub gemacht hatte, arbeitete seitdem beim lokalen Rundfunk, kannte Gott und die Welt und den Pressesprecher der Kreispolizeibehörde. Karola war stets informiert über die aktuelle Verbrechensrate, versorgte den halben Kreis mit guten Ratschlägen in allen Lebenslagen, wurde von zahlreichen Hörerinnen verehrt, bekam Fanpost – an den Sender adressiert –, hin und wieder sogar Heiratsanträge. Aber da sie sich nicht zur Scheidung von ihrem
Absetzer
aufraffen konnte … «Da müsste ich erst mal wissen, wohin ich ihm die Post vom Anwalt schicken lassen sollte.»
Ulla verdiente den Lebensunterhalt für sich und ihre Familie bei Scheidweber & Co. Einem Landmaschinenhersteller, der sich vor mittlerweile drei Jahrzehnten im städtischen Industriegebiet angesiedelt hatte. Ihr Mann arbeitete in der Herrenabteilung des Einkaufscenters und stotterte mit seinem Lohn Schulden ab, womit er voraussichtlich noch bis ins Rentenalter beschäftigt war.
Und Marlene lebte auf Werners Kosten entschieden besser als die drei anderen.
Seit der Grundschule waren die vier Frauen befreundet. Es hatte sie mal einer als vierblättriges Kleeblatt bezeichnet, weil sie unzertrennlich waren. Ein verschworenes Grüppchen, zusammengeschweißt von einer Menge Unsinn, Albernheiten, gemeinsamen Erfahrungen und gemeinsamen Zukunftsplänen, die letztlich nicht in Erfüllung gegangen waren.
Ob Kino oder Disco – keine von ihnen hatte je etwas allein unternommen. Mit siebzehn waren sie in
Jenseits von Afrika
gewesen. Ulla hatte am Ende geseufzt: «War das schön. Wir wissen gar nicht, was wir versäumen mit unseren Taschenrechnern und Durchlauferhitzern.»
Und Karola hatte entschieden, dass ihr Zukünftiger wie Robert Redford aussehen und ein Abenteurer sein müsse.
Ein Zukünftiger war zu der Zeit noch nicht in Sicht, weil es doch mit einem nicht getan war. Man stelle sich nur vor, eine von ihnen hätte sich verliebt, und der Auserwählte hätte die anderen drei nicht leiden können.
Nach dem Abitur trennten sich ihre Wege tagsüber, aber nur wochentags. Marlene wurde bei einem Versicherungskonzern ausgebildet, Ulla in einem Autohaus, Annette im Buchhandel. Und Karola begann ein Studium – Archäologie und Ägyptologie, weil ihr immer noch ein Robert-Redford-Verschnitt im Hinterkopf tickte, der ihr mitten in der Wildnis die Haare wusch.
Mit neunzehn zogen sie an einem Samstagabend zu viert durch einige Kölner Discotheken, bis Karola auf ein Quartett junger Männer aufmerksam wurde und sagte: «Mädels, wenn ich mich nicht verzählt habe, sind wir hier genau richtig. Ich nehme den im blauen Hemd. Teilt den Rest unter euch auf.»
Der im blauen Hemd war Werner Weißkirchen, der Rest seine Freunde: Andreas Jäger, Christoph Barlow und Matthias Kranich. Die vier Männer waren ebenfalls seit der Schulzeit befreundet. Christoph nannte es mal einen von diesen Wahnsinnszufällen, die man in Romanen als unwahrscheinlich und unglaubwürdig abtut.
Bei näherer Betrachtung war Werner alles andere als Karolas Typ. Er sah nicht aus wie Robert Redford, sondern eher wie Peter Strauss, der Rudy Jordache aus der Fernsehserie
Reich und Arm
, von der Marlenes Mutter in den siebziger Jahren selteneine Folge verpasst hatte. Abgesehen davon, hatte er mit Abenteuern rein gar nichts im Sinn.
Werner war Bankkaufmann, allerdings keiner von den Zockern, die sich eine goldene Nase verdienten, indem sie anderer Leute Geld verspekulierten. Er war im Kreditwesen tätig, brauchte für alles Sicherheiten und machte Pläne, an die er sich hielt.
Zwischen seinen leger gekleideten Kumpels, die sich auf der Tanzfläche bereitwillig wie Hampelmänner benahmen, um beim anderen Geschlecht Eindruck zu schinden, wirkte er steif, spießig und hausbacken. Dabei war er ein ausgezeichneter Tänzer. Er hielt nur nichts von Discogezappel.
Nach Karolas Hinweis auf das Quartett sagte Annette: «Nicht so voreilig. Hier werden weitreichende Entscheidungen getroffen. Du kannst nicht über unsere Köpfe hinweg bestimmen, wer wen aufs Korn nimmt. Unter Umständen versauen wir uns damit den ganzen Abend.»
Ulla stimmte zu: «Dem schließe ich mich an. Überlassen wir es doch erst mal den Jungs. Tauschen können wir immer noch, wenn wir meinen, dass eine andere Konstellation günstiger wäre.»
Marlene äußerte sich nicht. Das tat sie eigentlich nie. Zwischen Karola, Annette
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