Der Frauenjäger
Eventualitäten einen Plan machen. Wo bleibt denn da die Spannung?»
«Andreas macht doch auch Pläne», hatte Marlene den Mann verteidigt, der seine Hemden tatsächlich selbst bügelte und besser kochte als sie.
«Das kannst du doch nicht vergleichen», war sie von Karola belehrt worden. «Andreas will in lebensfeindlicher Umgebung überleben. Das muss er sorgfältig planen, die Route festlegen, genau überlegen, was er unterwegs unbedingt braucht. Supermärkte und Apotheken sind nicht in der Nähe. Dafür dürften eine Menge unvorhersehbare Überraschungen auf ihn warten.»
Für Karola gab es bald eine böse Überraschung. Nach der standesamtlichen Trauung waren sie ins Haus seiner Mutter gezogen, weil sie sich als Studenten keine eigene Wohnung leisten konnten. Aber das war wohl nur ein Vorwand gewesen, Andreas kam auch später nicht auf die Idee umzuziehen. Sein Vater war seit Jahren tot. Das Haus bot ausreichend Platz, und Andreas betrachtete es als sein Eigentum.
Nachdem er seinen Ingenieur in der Tasche hatte, hieß es für ihn erst einmal Geld verdienen, immerhin war ein Baby unterwegs. Unter diesen Voraussetzungen wurde nichts aus dem geplanten Wüstentrip oder einem Ausflug in den Regenwald. Aber aufgeschoben sei nicht aufgehoben, sagte er anfangs noch.
Er war überzeugt, seine Mutter würde sich ums Baby kümmern. «Sie hat doch sonst nichts zu tun.»
Karola sollte weiter die Uni besuchen, ihre Abschlüsse machen.Im Geist sah Andreas sich schon mit ihr im Tal der Könige weitere Pharaonengräber entdecken, Goldschätze bergen und Mumien ausbuddeln. Wenn es keine interessanten Ausgrabungen gäbe, wollte er mit ihr Urlaub in der Sahara machen, die Pyramiden von Giseh und die Sphinx besuchen.
Karola machte ihm auch diesen Traum zunichte. Sie hängte nach der Geburt ihrer Stefanie das Studium an den Nagel. Das Baby war kerngesund, aber nur vierzig Zentimeter groß und nicht ganz zwei Kilo schwer. Andreas nannte das Kind «unseren Probeschuss». Um diesen Winzling wollte Karola sich lieber selber kümmern, statt die Kleine ihrer Schwiegermutter anzuvertrauen, auch nicht für einen Urlaub.
Laut Karola kam ihre Schwiegermutter nicht mal mit sich selbst klar, schluckte ständig irgendwelche Pillen, grüßte morgens mit «Guten Abend» und mittags mit «Gute Nacht», lief den halben Tag im Morgenrock herum, ging so auch an die Tür, wenn’s klingelte.
Daraufhin suchte Andreas das Abenteuer eben im Jeep auf heimischen Landstraßen. Er fand es in Gestalt junger Tramperinnen, was er Karola auch noch jedes Mal freimütig beichtete.
Annette, Ulla und Marlene waren übereinstimmend der Meinung, eine Trennung sei die beste Lösung. Dazu konnte Karola sich nicht aufraffen. Mit den Worten «Er kommt schon noch zur Vernunft» blockte sie das Thema Scheidung jedes Mal ab.
Als Annette, Ulla und Marlene zwei Jahre nach der pompösen Hochzeitstrilogie auch noch wie in geheimer Absprache gleichzeitig schwanger wurden, wollte Karola nicht erneut abseitsstehen. Sie meinte, Andreas mit einem zweiten Kind in einen biederen und treuen Familienvater verwandeln zu können. Er soll bei der Gelegenheit jedoch gesagt haben: «Du willst doch nur deinen Mutterschutz verlängern. Na schön, einmal tu ich dir den Gefallen noch. Aber bilde dir nicht ein, dass ich dir invier oder fünf Jahren das dritte mache, damit du noch länger auf deinem faulen Hintern sitzen kannst.»
Wie auch immer: Die zweite Tochter machte eine Scheidung für Karola dann vollkommen undenkbar. «Wo soll ich denn hin mit zwei kleinen Kindern?»
Da mochte Andreas es noch so bunt treiben – nicht nur auf heimischen Landstraßen. Er begann damit, sich jedes Jahr vier Wochen Urlaub zu gönnen. Ohne seinen uralten Jeep und ohne Familie. Man konnte schließlich zwei kleine Mädchen nicht den Strapazen der Wüste aussetzen. Ob er tatsächlich in einem gemieteten Wagen zwischen riesigen Sanddünen herumgurkte oder sich auf Ibiza, Fuerteventura oder sonst wo mit anderen Frauen vergnügte, wusste keiner.
Wie viele Affären Andreas Jäger im Laufe der Zeit hatte, konnte man nur grob schätzen. Vermutlich kannte nicht einmal er selbst die genaue Zahl. Und was brachte es Karola letztlich, dass sie sich noch ein zweites Kind machen ließ, die vierwöchigen Abenteuerreisen ihres Mannes duldete und über ungezählte Seitensprünge hinwegsah?
Im Februar 2006 wagte Annette den Schritt in die Selbständigkeit. Nach ausführlicher Beratung durch Werner und gegen den
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