Der Frauenjäger
und Ulla kam sie nur selten zu Wort. Bei Werner versuchte sie es gar nicht erst, er wusste ohnehin alles besser. Was nicht bedeutete, dass er besserwisserisch aufgetreten wäre. Er wusste tatsächlich schon mit zweiundzwanzig eine Menge mehr als andere. Und er hatte von der ersten Sekunde an nur Augen für sie.
Verstanden hatte Marlene das bis heute nicht. Sie war nicht hässlich, aber auch nicht so hübsch und stark wie Ulla. Sie war nicht dumm, jedoch längst nicht so gescheit und schlagfertig wie Annette. Sie war nicht feige, allerdings auch nicht so wagemutig, wortgewandt und phantasiebegabt wie Karola.
Sie war Durchschnitt, hatte zwischen zwei Brüdern daheim und im kleinen Kreis ihrer Freundinnen stets das Gefühl, nicht genug Präsenz aufbieten zu können, um als Individuum wahrgenommen zu werden. Und Werner hob sie aus der Unscheinbarkeit heraus.
Karola hatte mal in einer Illustrierten gelesen, der Geruchssinn spiele bei der Partnerwahl eine entscheidende Rolle, auch wenn einem das gar nicht wirklich bewusstwürde. Seit Karola ihr das erzählt hatte, dachte Marlene manchmal, Werner hätte in ihr auf Anhieb die Partnerin gerochen, die seinen Genen nichts entgegensetzen konnte. Es war nämlich auf keinen Fall so – wie Annette es einmal behauptete –, dass sich ausgerechnet das Schaf im Kleeblatt den Goldfisch geangelt hätte. Der Fisch hatte sich vielmehr heißhungrig auf ein Würmchen gestürzt, das am Rande der aufgewühlten See – sprich überfüllte Tanzfläche voll zuckender Leiber und schlenkernder Gliedmaßen – einsam bei ihm zurückblieb, während Annette, Ulla und Karola sich mit seinen Freunden ins Getümmel stürzten.
Karola richtete ihr Augenmerk schnell auf Andreas Jäger. Der hätte durchaus ein entfernter Verwandter von Robert Redford sein können. Damit nicht genug. Wie Karola im Damenkleeblatt war Andreas im Herrenquartett der Einzige, der studierte – allerdings nichts Exotisches, nur Maschinenbau an der Technischen Hochschule. Aber für ihn hätte der Duden umgeschrieben werden und mit dem Wort «Abenteuer» beginnen müssen.
Andreas fuhr einen uralten Jeep, Baujahr 1942, geerbt vom Großvater, der das Gefährt bei Kriegsende einem amerikanischen GI abgeschwatzt hatte. Und Andreas hielt das Museumsstück selbst in Schuss, obwohl es längst keine Ersatzteile mehr gab und er bei jeder Reparatur basteln musste.
Wenn er seinen Ingenieur in der Tasche hatte, wollte er mitdem Gefährt die Wüsten Afrikas und den Orient durchqueren, ehe er sich in die heimische Tretmühle spannen ließ. Er träumte auch von einem Trip durch den Regenwald Südamerikas, aber da käme er mit dem Jeep nicht durch. Damit sich sein Kreislauf auf die wechselhaften Klimabedingungen einstellte, bereitete er sich jetzt schon mit stundenlangen Bädern in heißem Salzwasser auf seine Touren vor, erzählte er. Karola war hin und weg. Die beiden schienen wie füreinander geschaffen.
Ulla turtelte zwei Wochen lang mit Christoph Barlow. Der war wie Marlene in der Versicherungsbranche tätig, arbeitete jedoch für eine andere Gesellschaft und sprach davon, schon mit dreißig seine eigene Agentur zu haben. Christoph war ein Charmeur und ein Spaßvogel, wie man einen zweiten lange suchen musste. Er hatte immer ein Kompliment auf den Lippen und konnte zu jeder Gegebenheit den passenden Witz erzählen. Ein Romantiker, wie Ulla sich einen erträumte, war Christoph jedoch nicht. Beim Blick in den Sternenhimmel rechnete er aus, wie viel Weltraumschrott da oben herumflog und wie viel Schaden in den nächsten Jahren durch veraltete Satelliten oder ähnlich nutzlosen Kram verursacht werden konnte.
Und Annette hatte in der kurzen Zeit bereits festgestellt, dass Matthias Kranich für sie der falsche Partner war. Ein Vollbad bei Kerzenschein mochte im Kino oder im Fernseher toll aussehen, im eigenen Badezimmer musste man anschließend die Wachsflecken von der Wanne schrubben. Annette war ein durch und durch praktischer Typ. Sie brauchte – in Anspielung auf Karolas Schwärmerei nach
Jenseits von Afrika
– keinen Mann, der ihr in der Wildnis die Haare wusch.
Also tauschten Annette und Ulla die Männer. Christoph war damit nicht auf Anhieb einverstanden, Ulla war nun mal mit Abstand die Hübschere. Aber da Annette besser kochte und schon eine eigene kleine Wohnung hatte, fügte Christoph sich bald in sein Schicksal. Und Ulla konnte sich nach weiteren dreiWochen kaum noch vorstellen, dass sie ohne Matthias jemals richtig
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