Der Frauenjäger
mochte, ob Josch Thalmann seine Frau aus dem Weg geräumt hatte und ihre Schwester den Verdacht mit falschen Beweisen in eine andere Richtung lenkte, zur Nebensache. «Warum hatte Mona keine Kinder?», fragte sie.
«Sie hatte zwei Fehlgeburten», antwortete Heidrun Merz. «Die letzte lag zum Zeitpunkt ihres Verschwindens sechs Jahre zurück. Ich sehe darin die Ursache ihrer Depression.»
Fischer machte sich erneut bemerkbar. Nun wollte er wissen, ob die Frauen aus den sechs ähnlich gelagerten Fällen ebenfalls Kundinnen der Agentur Sirius gewesen seien. Ehe die Autorin ihm eine deutliche Abfuhr erteilen konnte, kam Karola zurück. Der Wachmann war dicht hinter ihr, schloss die Tür wieder und stellte sich breitbeinig mit auf dem Rücken verschränkten Armen davor. Es sah sehr martialisch aus, als wolle er verhindern, dass jemand aus der Bücherstube floh.
Karolas cremefarbene Bluse schimmerte auf Brusthöhe dunkel und ließ deutlich das Muster der Spitze und den Abschluss der B H-Körbchen erkennen. Für einen Augenblick konzentrierte sich Fischers Aufmerksamkeit darauf.
Annette nutzte die Unterbrechung und machte auf den Büchertisch aufmerksam. Zwei Frauen aus der letzten Reihe und die Blonde kauften je ein Buch. Marlene kaufte auch noch eins und ließ es von Heidrun Merz signieren. Karola tat es ihr gleich und betonte dabei, dass sie schon eins besaß, es aber nach der Sendung heute Vormittag ihrer Sekretärin habe überlassen müssen.
Auch Fischer kam mit seinem Exemplar zum Stehpult. Das bleiche, hohläugige Frauengesicht auf dem Cover wies unzählige Kratzer auf, als trüge er das Buch seit geraumer Zeit mit sich herum, ginge aber nicht achtsam damit um. Er legte es der Autorin vor und erkundigte sich mit spöttischem Lächeln: «Bekomme ich trotz der ungeheuerlichen Unterstellungen eine Widmung?»
Heidrun Merz presste verärgert die Lippen aufeinander, setzte den Stift an und schrieb quer über das Gesicht auf dem Deckblatt: «Verflucht sei die Untätigkeit – Monas Schwester.»
Fischer nahm sein Buch zurück, lächelte Marlene an und sagte: «So untätig bin ich gar nicht.» Dann ging er zur Tür.
Karola war in der Zwischenzeit von ihrer Ältesten über den Eklat informiert worden. Den an Marlene gerichteten Satz hörte sie selbst, schaute dem Mann mit dem Fotoapparat mit unwillig gerunzelter Stirn hinterher und erkundigte sich bei Annette. «Wer war denn das?»
Annette zuckte mit den Achseln. «Stadtblatt, nehme ich an. Bisher haben die nie einen geschickt, aber sie sagten, über
Monas Tagebuch
würden sie gerne …»
Karola unterbrach sie mit einem Kopfschütteln. «Beim Stadtblatt ist die Melzer für Kultur zuständig. Die bewegt ihren Hinternnicht vom Schreibtisch weg, auch nicht, wenn es um ein Buch geht, das es verdient hätte. Der musst du einen fertigen Artikel schicken, wenn du was gedruckt sehen willst.»
«Kripo Düsseldorf», erklärte Heidrun Merz, ohne aufzuschauen, während sie weitere Bücher signierte. Da niemand mehr anstand, nahm sie welche von dem Tisch neben der Kasse. Signierte Exemplare nahm kein Verlag zurück. «Die Burschen mögen es nicht, wenn man ihnen öffentlich nachsagt, dass es sie einen feuchten Dreck schert, ob ein Sadist hilflose Frauen in seine Gewalt bringt und was er ihnen antut. Wenn eine Erwachsene sich mit so einem Kerl einlässt, ist sie nach Ansicht dieser Herren selber schuld.»
«Ach», wunderte sich Annette. «Sie kannten den?»
«Nicht namentlich», erwiderte Heidrun Merz. «Ich schätze, der zuständige Beamte bleibt lieber im Hintergrund. Um mich in der Öffentlichkeit unmöglich zu machen, schickt er einen jüngeren Kollegen, den ich im Zuge der dürftigen Ermittlungen nicht persönlich kennengelernt habe. Dann ist es nicht so offenkundig. Aber das war schon die zweite Lesung, bei der dieser Fischer auftauchte. So was tun Journalisten normalerweise nicht. Beim ersten Mal hat er sich still verhalten, nur ein Buch gekauft. Jetzt hatte er es wohl gelesen.»
Anscheinend interessierte sich niemand außer Marlene für die Agentur Sirius. Der Begriff «Kundinnen» hatte ihr eine bestimmte Vorstellung vermittelt und gleichzeitig klargemacht, dass sie übel ins Fettnäpfchen treten würde, sollte sie sich ihre Vermutung bestätigen lassen wollen.
Eine der Frauen drehte ihr signiertes Buch in der Hand. Es sah fast aus, als wolle sie es zurückgeben, als sie fragte: «Leben Sie denn wirklich mit Ihrem Schwager zusammen?»
Ehe Heidrun Merz
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