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Der Frauenjäger

Der Frauenjäger

Titel: Der Frauenjäger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Hammesfahr
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«Meine Schwester gehörte zu den Frauen, die von vielen um ihr scheinbar leichtes und sorgloses Leben beneidet werden. Oberflächlich betrachtet hatte Mona alles, was man braucht, um glücklich oder wenigstens zufrieden zu sein. Finanzielle Probleme kannte sie nicht. Ihr Mann war zwar beruflich stark eingespannt und viel unterwegs, aber dennoch immer sehr um sie bemüht. Sie lebten in einer geräumigen Wohnung in Düsseldorf-Derendorf.Mona hatte eine Zugehfrau und viele schöngeistige Interessen   – Theater, Literatur, Kunst, Musik. Trotzdem erkrankte sie an einer Depression. Meinem Schwager blieb das verborgen, mir auch. Wir hatten nicht täglich Kontakt, und Mona verstand sich darauf, uns ein heiteres, unbeschwertes Gemüt vorzugaukeln. Statt offen mit mir oder ihrem Mann zu reden oder Hilfe bei Fachärzten zu suchen, begann sie, Tagebuch zu führen. Daraus lese ich Ihnen nun einige Passagen vor.»
    Sie fing an mit dem Tagebucheintrag, den Marlene kurz zuvor gelesen hatte:
«Dieses Leben bringt mich um.»
Darauf folgten zwei längere Stücke, aus denen auch nur hervorging, dass Mona einsam war und trotz zahlreicher Aktivitäten nichts mit sich anzufangen wusste. Dann kam eine Passage aus der Sicht von Heidrun Merz über die Beziehung zu ihrer Schwester. Die war gespickt mit Vorwürfen gegen sich selbst, weil die Autorin sich nach dem letzten Telefonat mit Mona nicht die Zeit genommen hatte für ein weiteres Gespräch oder einen Besuch bei ihrer Schwester. Ein kurzer Abschnitt war Monas Mann gewidmet. Josch Thalmann war Pilot bei der Lufthansa und deshalb viel unterwegs, auch mehrere Tage hintereinander.
    Nach einer knappen Stunde klappte Heidrun Merz das Buch zu und schaute ins Publikum. Ein Gesicht nach dem anderen betrachtete sie, als wolle sie etwas ablesen. Sie vergaß auch den Wachmann nicht. Der stand unverändert neben der geschlossenen Tür, wie Marlene mit einem Blick über die Schulter feststellte.
    Sie war enttäuscht, fühlte sich irgendwie betrogen. Nach fünf Minuten grausamer Spannung war der gesamte Vortrag langweilig gewesen. Sinnlose Gedankenspielereien, leere Tage, aber keine Hinweise auf einen mysteriösen Liebhaber. Nicht einen Satz über den Mann, der Mona angeblich zum Verhängnis geworden war.
    Während Marlene noch die Bilanz der letzten Stunde zogund unter dem Strich Skepsis auftauchte, sagte Heidrun Merz: «Mit ihrer Depression war meine Schwester eine leichte Beute für einen perversen Sadisten. Er nutzte ihre Erkrankung schamlos aus, um sie zu manipulieren. Sie fühlte sich wertlos und überflüssig. Er suggerierte ihr das Gegenteil, animierte sie zu aberwitzigen Spielchen, um ihr zu zeigen, wie aufregend das Leben sein kann und wie Nervenkitzel prickelt. Am Ende hatte er sie völlig unter Kontrolle. Als sie begann, neuen Lebensmut zu schöpfen, als es ihr wirklich wieder Spaß machte zu leben, brachte dieses Monstrum sie um. Und ich bin sicher, Mona war nicht sein erstes und nicht sein letztes Opfer. Bei meinen Recherchen stieß ich auf sechs ähnlich gelagerte Fälle in Nordrhein-Westfalen. Vier Frauen verschwanden vor Mona, zwei nach ihr. Aber die Polizei sieht keinen Handlungsbedarf.»
    Aus den Augenwinkeln sah Marlene, wie Karola zustimmend nickte. Annette eilte nach hinten, schleppte zwei Kartons mit ungespülten Sektgläsern und drei Flaschen heran, verteilte Gläser und füllte sie. Doch eine Diskussion mit den Frauen aus der letzten Reihe wollte nicht zustande kommen, daran änderte auch der warme Sekt nichts. Sie saßen wie eingeschüchtert da und wagten es kaum, den Blick von ihren Gläsern zu heben.
    Die Blonde in der zweiten Reihe wollte nur wissen, ob Mona die Abkürzung von Monika sei. Heidrun Merz bejahte und bat Annette, ihr das Wasserglas nochmal zu füllen, aber mit Wasser, bitte. An ihrem Sektglas hatte sie bloß einmal genippt.
    Marlene hatte etliche Fragen auf der Zunge. Was sollte man sich unter aberwitzigen Spielchen vorstellen? Mit welcher Aktion hatte Monas Liebhaber sich die Bezeichnung Monstrum verdient? Wie und wo hatte Mona den Mann kennengelernt? Wie hatte sie ihn beschrieben? Hatte sie nie seinen Namen erwähnt? Was an ihm war faszinierend, was war abstoßend gewesen? Und warum hatte Heidrun Merz nicht etwas davon vorgelesen? Sie wagte es nur nicht, sich zu Wort zu melden, umsich nicht als vollkommen ahnungslos bloßzustellen. Mit Ausnahme der letzten Frage beantwortete das Buch wahrscheinlich jede einzelne.
    Der Mann neben ihr stand auf, hob den

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