Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der Fremde aus dem Meer

Titel: Der Fremde aus dem Meer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amy J. Fetzer
Vom Netzwerk:
das besonders zierlich geschnitzte Holz unter seinem Gewicht knarrte und seine Knie gegen einen flachen, auf Hochglanz polierten Tisch stießen. Er legte die Balsaschachtel neben sich und ließ die Hände auf den Oberschenkeln ruhen.
    Ihm gegenüber war eine Ecke von oben bis unten mit Spiegeln bedeckt, die seine Deplatziertheit noch hervorhoben. So behutsam wie nur möglich schlug er die Beine übereinander und lehnte sich zurück. Unbehaglich bewegte er sich hin und her. Er fühlte sich wie ein täppischer Riese. Gerade wollte er nach draußen gehen und dort warten, als ein kleines Mädchen von ungefähr neun Jahren seine Zufluchtstätte betrat, um ihm Kaffee oder Selters anzubieten. Er ließ sich ein Wasser bringen, während seine Ohren auf das Stimmengemurmel lauschten. Sie ist irgendwo da unten, dachte er, dort, wo der nur schwach beleuchtete Gang in irgendeinen mystischen Raum mündete, wo die Frauen herrschten und sich die Männer nie hinwagten.
    »Probier das einmal an und sieh, wie es dir gefällt«, hörte er, kurz bevor Penelope mit aufgestecktem Haar in dem Bogengang erschien.
    Er schnappte nach Luft und richtete sich auf. Nur in seinen Träumen hatte er sie so vor sich gesehen. Warum zog sie sich in dieser Art und Weise an? Bestimmt nicht, um ihm zu gefallen.
    Penny stieg auf einen Sockel, breitete das Kleid um sich herum aus, wobei sie sich auf die goldene Kreation im Spiegel konzen-trierte und nicht auf den Mann hinter sich. Die Räume erschienen ihr stets kleiner, wenn er dabei war. Emsig zupfte und zog sie an dem Kleid herum, wobei sie sich fragte, warum er sie so seltsam ansah. Dann verstand sie es. Sie fuhr herum und blickte in den Spiegel: Es war das Kleid.
    Es war im Stil seiner Zeit gearbeitet. Seines Jahrhunderts.
    Das Kleid war tief ausgeschnitten und betonte das mit Spitzen besetzte Mieder und die Taille. Die Ärmel schmiegten sich eng an und bauschten sich trichterförmig aus. Es war wunderschön, ein Traum aus goldfarbenem Chiffon über schwerem Goldbrokat, und das Ganze war schwerer als ihr Sofa. Es war ein Kostüm aus ihrem letzten Film, eines von vielen, das von ihrem Studio zur Auswahl geliefert worden war. Zwar hatte sie keine Lust, die Premiere und die anschließende Party zu besuchen, war aber durch ihren Vertrag dazu verpflichtet. Ein Kostümball mit Unmengen von Berühmtheiten, Reportern und Werbeleuten! Stündlich fluchte sie auf Tony, dass er diese Klausel nicht aus dem Vertrag gestrichen hatte. Sie hatte den Verdacht, dass er es absichtlich unterlassen hatte.
    Noch ehe sie Ramseys Blick im Spiegel begegnen konnte, betrat die Schneiderin den Raum, das Maßband um den Hals.
    »Wie fühlst du dich darin?«, fragte Claire.
    »Als ob ich ein Schlauchboot tragen würde, aber sonst ganz gut.«
    »Tja, irgendetwas stimmt da nicht.« Das professionelle Auge der Schneiderin beurteilte Pennys Spiegelbild.
    »Es ist der falsche Farbton«, schaltete sich Rams tiefe Stimme ein, und Penny blickte in dem silbern schimmernden Spiegel in seine Augen.
    »Aber ich habe das schon im Film getragen.«
    »Trotzdem.« Ram rekelte sich lässig in seinem Sessel und streckte die Beine unter den Tisch. »Es hat beinah denselben Farbton wie deine Haut.«
    »Genau. Das ist es!« Vor Überraschung hielt Claire die Luft an. »Deine sonnengebräunte Haut lässt dich ... ganz ausgewaschen aussehen.« Ihre Stimme wurde langsamer, während sie Ramsey einen eigenartigen Blick zuwarf und die Brauen zusammenzog.
    »Gut, probieren wir ein anderes an, ein helleres.«
    »Du kennst ja den Weg.« Claire wies mit der Hand in Richtung Ankleideraum. Penelope ging sofort los und war kurz darauf in einer rosafarbenen Kreation zurück. Sie platzte beinahe aus dem Mieder, und der Ausschnitt endete knapp über ihren Brustknospen.
    Ramsey bewunderte den hervorquellenden Busen lange genug, um die Aufmerksamkeit beider Frauen auf sich zu ziehen. Dann sagte er beiläufig. »Zu sehr ins Auge stechend. Du siehst mehr wie eine Kurtisane als eine Lady aus.«
    »Und du würdest den Unterschied erkennen?«, sagte sie herausfordernd und schroff. Er bedachte sie mit einem schurkischen Lächeln.
    »Ich bin in diesen Dingen bewandert«, sagte er mit dem Anflug männlicher Arroganz. Sie verdrehte die Augen. »Und diese Schleifen und Blumen sind unnötig«, fügte er angewidert hinzu, wobei er mit der Hand in Richtung der Überfülle von Bändern wedelte, die über die Tournüre trat.
    »Außerhalb des Films sieht es schon etwas übertrieben

Weitere Kostenlose Bücher