Der Fremde aus dem Meer
Tess, als sie sich Phillip als Köder anbieten wollte.
»Warum?«
»Der Täter ist noch gesichtslos, und man muss seinen Feind kennen, bevor er zuschlagen kann.« Er machte eine vorsichtige Bewegung, um einen Blick auf die Verfolger zu werfen, und sah, wie das Auto sich aus dem verfallenen Gemäuer in Richtung Straße entfernte.
»Es hört sich an, als wäre es für dich eine ganz alltägliche Sache, gegen jemanden zu kämpfen.«
»Du vergisst, dass das Land, auf dem du dich täglich bewegst, zu meiner Zeit spanisches Gebiet war und noch kein Staat. Euer
Louisiana wurde von den Franzosen beherrscht. Das Gebiet jenseits davon war noch nicht einmal erforscht. Viele Male wechselte das Land den Besitzer, Mädchen. Als Danes Vater 1762 ihr Haus kaufte, hatte es nur sechs Zimmer, und davor gehörte es einem fetten Laffen, irgendeinem Beamten der spanischen Regierung«, sagte er mit unverhohlener Abscheu. »Damals herrschte spanisches Recht vor, bis...«, er machte eine Pause und dachte zurück, «... bis 1783, dann wurde es von den Briten beherrscht.«
»Toll«, sagte sie ganz hingerissen. »Das war mir nicht klar.«
»Es gab auch noch die Seminolen, Indianer, die hervorragende Krieger waren, aber niemandem die Durchfahrt gewährten noch irgendjemandes Besitz anerkannten. Es war gefährlich, ohne eine vollständige Eskorte zu reisen. Wir mussten uns vor englischen Spionen und Saboteuren in Acht nehmen und ständig vor Dieben und Schwerverbrechern auf der Hut sein. Der Souverän glaubte, Amerika sei sein privater Abladeplatz für Verbrecher«, fügte er verbittert hinzu. »Auf den Dorfstraßen wimmelte es von solchen Elementen.« Er neigte seinen Kopf Richtung Lagerhaus.
Sie brauchte ein paar Minuten, um das zu verarbeiten. »Wie war das für dich?«, fragte sie einfühlsam. »Dich zweihundert Jahre später in der Zukunft wiederzufinden?«
Er hatte sich immer gefragt, ob sie ihn jemals darauf ansprechen würde.
»Erschreckend und aufregend. Ein Ruck, eine übergangslose Veränderung, wie ich sie niemals zuvor erlebt habe.« Er sah an ihr hinunter, rückte sie von sich ab, um ihr Profil zu sehen, das sich in dem spärlichen Licht abzeichnete. »Ich wollte wissen, was auf der anderen Seite der Mauer lag, Penelope. Ich bin das Risiko freiwillig eingegangen.« Um seine Lippen zuckte es. »Allerdings hatte ich nicht damit gerechnet, dass ich bei meiner Ankunft beinahe getötet wurde.« Seine Stimme klang belustigt, dachte sie. »Aber das alles hier ist viel zu spannend für mich, als dass ich den Wunsch hätte, jemals wieder zurückzukehren.«
»Als ob du das könntest.«
Er sah sie nachdenklich an. »Ich bin doch auch hier angekommen, oder?«
»Du glaubst doch nicht wirklich, dass es noch einmal ... möglich wäre?« Besorgnis ergriff sie. Konnte er auch so einfach wieder hinweggenommen werden?
»Die Frage ist, ob ich gehen würde.«
Angespannte Stille herrschte, dann flüsterte sie eindringlich: »Und?«
»Mir sagt dein Jahrhundert zu, Mädchen«, sagte er leise lachend. Es gefiel ihm, dass sie seufzte. Vor Erleichterung, nahm er an. Dann sah er sich noch einmal nach ihren Verfolgern um. »Ich glaube, wir konnten ihnen entkommen.«
»Sie zu kastrieren wäre eine angemessene Strafe, meinst du nicht auch?«
Vor Schreck blieb ihm die Luft weg. Dann schüttelte er bedenklich den Kopf. »Daraus spricht deine grausame Seite, Weib.«
»Das ist Selbstschutz«, erwiderte sie. »Wenn ich nicht auf mich selbst und die Meinen aufpasse, wer dann?«
»Ich«, sagte er und neigte ihr Gesicht in den grauen düsteren Schatten. »Wann wirst du mir dein Vertrauen schenken?«
»Täte ich es nicht, säße ich nicht in einem stinkenden Lagerhaus, von Käfern umgeben, die versuchen, an meinem Rock hoch zu krabbeln.«
Seine Stimme war tief und seidenweich. »Soll ich nach ihnen suchen und die kleinen Biester für dich töten?«
Sie lachte leise, als er aufstand und ihr auf die Füße half. »Ich werde darauf zurückkommen.«
»Ich werde dich daran erinnern, dessen kannst du sicher sein«, sagte er an ihrem Ohr.
Mein Gott, das hoffe ich, dachte sie, während er den Kopf durch die Öffnung steckte und sie dann auf den Steg führte.
»Ich weiß: Immer einen Fuß vor den anderen«, ahmte sie ihn
nach und trat vorsichtig auf die schmalen Sprossen. Ramsey wartete, bis sie unten angekommen war, dann nahm er eine einfache Abkürzung, schwang sich über den Rand und ließ sich zu Boden fallen.
»Angeber«, sagte sie, und er trieb
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