Der Fremde aus dem Meer
so ist, dann kann vielleicht Noal...«
»Nein«, unterbrach sie ihn heftig.
Er runzelte die Stirn.
»Ich vertraue ihm nicht allzu sehr.«
»Ich habe angenommen, du kennst den Mann.« Seine Stimme stockte einen Augenblick, und er hasste das.
»Vor ein paar Jahren habe ich ihm vertraut, aber...« Sie biss sich auf die Unterlippe.
»Was beunruhigt dich?«
Sie legte das Tagebuch auf ihren Schoß. »Wenn er seine Arbeit wirklich so gut macht, wieso konnten diese Kerle Margaret überfallen und mir so nahe kommen?«
»Du hast dein Anwesen unerlaubt verlassen«, erinnerte er sie mit einem Grollen in der Stimme. »Und Meggie wurde nicht bewacht. Es war mein Fehler, dass ich nicht daran gedacht habe, dass jeder zur Zielscheibe werden kann.«
Leider musste sie ihm in diesem Punkt Recht geben und bereute, was sie getan hatte.
»Warum vertraust du ihm nicht?«
»Er weiß zu viel. Er hat für mich Nachforschungen über meine Vergangenheit angestellt, hat versucht herauszufinden, woher ich komme.« Eine schwache Röte kroch seinen Hals hinauf.
Sie setzte sich zurück. »Du hast ihn auch damit beauftragt«, sagte sie in anklagendem Ton.
»Ich habe gesehen, welche Qual dir deine Träume bereiten, Liebste, und habe nur versucht, die Ursache zu finden.«
Sie starrte ihn an und fragte sich, wieso sie nicht so bestürzt war, wie sie eigentlich hätte sein sollen. Doch dann wurde ihr klar, dass Ramsey sie niemals absichtlich verletzen würde. Sie nicht und auch sonst niemanden.
»Nicht einmal ein Hypnotiseur konnte mir helfen. Es ist wirklich nicht mehr wichtig.« Gleichmütig zuckte sie mit den Schultern. »Mir reicht das einzige Verbindungsstück.« Sie hob das Medaillon, und er betrachtete es prüfend aus der Nähe. »Ich kannte meinen Namen nicht, deshalb habe ich ihn hiervon abgeleitet. P. H.«
»Nein, Liebste.« Sein Blick suchte den ihren. »Der zweite Buchstabe ist entweder ein R oder ein B.«
Sie blinzelte und ihre Gesichtszüge wurden schlaff. »Glaubst du das wirklich?« Sie starrte auf das Medaillon.
»Ja.« Er rieb Tinte von einer Feder über seinen Daumen, presste ihn erst auf das Medaillon und dann auf den Block, der zwischen ihnen auf dem Tisch lag. Penny beugte sich über das Papier, bemerkte die leichte Schleife in der Gravur und blickte auf. Die Enttäuschung stand ihr ins Gesicht geschrieben.
»Mein Gott, ich bin noch nicht einmal eine richtige Erfindung«, flüsterte sie unglücklich und verglich noch einmal das ein-gedellte Medaillon mit dem Abdruck. »Margaret wird überrascht sein.«
Ramsey hob ihr Kinn an, sah ihr in die Augen und wünschte sich, er könne ihr das Erbe geben, das sie sich so sehnlich erhoffte.
»Ich liebe Penelope Hamilton, und jeden, der etwas anderes behauptet, werde ich bis aufs Messer bekämpfen.«
In ihren Augenwinkeln bildeten sich Fältchen, und Tränen stiegen ihr in die Augen. »Darauf würde ich wetten.«
Fest drückte sie seine Hand und schniefte kurz. Dann nahm sie ein anderes Tagebuch zur Hand, als sei die Sache damit erledigt, und setzte ihre Lektüre fort. Doch Ramsey ließ sich nicht täuschen. Es ging ihr so wie ihm, als er im zwanzigsten Jahrhundert ankam: Sie hatte keinerlei Beziehung. Nur mit dem Unterschied, dass sie ihr ganzes Leben so verbracht und sie ihre Einsamkeit nicht selbst gewählt hatte. In qualvollen nächtlichen Träumen erlebte sie den Schmerz des Verlassenwerdens immer wieder. Und das trieb sie in die Einsamkeit, die ein Selbstschutz vor weiteren Verletzungen war. Die Schatten der Nacht sind der Schlüssel zu unserer eigenen Hölle, dachte er, und sein Herz krampfte sich zusammen vor Mitgefühl mit dem Kind in ihr und für die Frau, der er beim ersten Mal begegnet war und die er jetzt kannte. Sie war dabei, sich zu verändern. Er konnte es sehen, in jedem Augenblick, den er mit ihr verbrachte, und er war von sich selbst genug überzeugt, um zu wissen, dass es seine Liebe war, die ihr diesen strahlenden Glanz verlieh. Aber er wusste auch, dass sie reif dafür war.
»Ramsey, sieh mal.« Er blickte auf das Buch, und sie zeigte ihm die Stelle, wo der Buchrücken auseinanderfiel. »Oh, das ist ja schlimm.« Er beugte sich weiter vor, hob den Rücken ab und untersuchte die Bindung. Er nahm ein anderes Tagebuch, prüfte es genau und gab ihr dann das ihre zurück.
»Diese Seite ist dicker«, sagte er und drückte auf das Deckblatt.
Es fühlte sich weich an, und auf seiner Stirn erschien eine tiefe senkrechte Falte. Er löste den Rand noch
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