Der Fremde aus dem Meer
der Frau, die nicht weit entfernt von ihnen stand und alles beobachtete. Fragend runzelte Alexander die Stirn. Er wusste, dass sie die Haushälterin war. »Sie hat ihr das Leben gerettet«, fuhr Ramsey fort.
Sofort durchquerte Alexander das Foyer. Ramsey beobachtete, wie Meggie wachsam einen Schritt zurücktrat. Alexander sprach leise auf sie ein, und plötzlich lächelte Meggie erleichtert. Dann steckten sie die Köpfe zusammen, offensichtlich in ein Gespräch vertieft. Meggie machte eine Pause, die lang genug war, um auch Hank noch in das Gespräch einzubeziehen.
Der Ruf nach Ruhe ertönte durch das Haus, und Ramseys Blick wanderte zu Penelope zurück. Helles Licht erfüllte das Wohnzimmer, und eine Frau kämmte Penelope das Haar über die Schulter, bevor sie aus dem Blickfeld der Kamera verschwand. Von seinem Standpunkt aus konnte Ramsey sie sehen wie ein Bild in einer monströsen Maschine. Sie wandte den Kopf, und ihre
Blicke trafen sich, hielten einander fest, und Ramsey wusste, dass es hart für sie sein würde. Vor ihrem Publikum musste sie ihre Gespenster auftreten lassen und loswerden. Und er liebte sie nur umso mehr für ihre Tapferkeit. Sie kreuzte die Klingen mit einem viel mächtigeren Feind, als ihm jemals einer gegenübergestanden hatte.
Penny nahm sein Zwinkern wahr und lächelte. Sie atmete tief ein und konzentrierte sich auf Justin. Normalerweise war sie vor der Kamera nicht nervös. Für sie war die Kamera wie ein geheimer Raum, in dem sie lebte. Aber diesmal hatte sie die Kamera in ihr Heim, in ihr Leben gebracht, in der Hoffnung, ein neues Leben zu beginnen. In Freiheit. Frei von den Drohungen Sloanes und frei von der Notwendigkeit, sich vor ihrer Vergangenheit verstecken zu müssen.
»Übrigens wird dies hier morgen in Talk Florida auf Sendung gehen«, sagte Justin, und sie stotterte »Was?!«, gerade, als das rote Licht der Kamera aufleuchtete.
Während Justin seine einführenden Worte in die Kamera sprach, sah Penny zu Ramsey hinüber und bemerkte seine Enttäuschung. Hilflos zuckte sie mit den Schultern. Er hatte die Konsequenzen verstanden, noch bevor sie das Studio angerufen hatte. Sie konnte kein Zeitfenster wählen, und wenn Phalon oder Sloane die Gewohnheit hatten, sich die lokalen Nachrichten und Talkshows am Vormittag anzusehen, würden sie alarmiert sein, auch wenn sie nicht die Absicht hatte, die Drahtzieher der Erpressung zu nennen.
Justin wandte sich ihr zu.
»Sie haben Ihre Karriere in der Filmindustrie im zarten Alter von siebzehn begonnen, gewissermaßen als Kind mit dem Talent einer erfahrenen, innerlich gefestigten Erwachsenen.« Penny bedankte sich nickend für das Kompliment. »Aber über Ihr Leben vor jener Aufführung des Sommertheaters gibt es keinerlei Informationen. Warum?«
»Das ist eine komplizierte Geschichte«, sagte sie, und dann setzte sie an, sie zu erzählen.
Und Alexander hörte ihr zu, wie sie die hässlichen Einzelheiten ihrer Jugend schilderte, von den Drogen sprach und ihrem Vagabundenleben und den Dingen, die sie getan hatte, um zu überleben. Bei jedem Wort hatte er das Gefühl, als würde ihm das Herz bei lebendigem Leibe herausgerissen, und er stand ungeheure Qualen aus, als er von ihrem Schmerz und ihrer Einsamkeit hörte. Er erlebte noch einmal die Wut und die emotionale Qual, die ihr Verlust für ihn bedeutet hatte, spürte sie durch seine Adern schießen, ohne sie irgendwo abladen zu können. Er fühlte sich hilflos wie vor fünfundzwanzig Jahren, konnte nichts sagen, konnte nichts tun, denn sie war aus alldem herausgewachsen.
»Schnitt«, sagte eine Stimme in die Stille hinein, und Justin sackte in seinen Sessel zurück. Er wusste, dass er kein trockenes Auge mehr vorfinden würde, wenn er sich umdrehte. Wie sie ihre bunte Vergangenheit hatte verbergen können, konnte er überhaupt nicht verstehen. Aber er sah sie mit den Augen ihrer Zuschauer. Sie würden sie bewundern. Nicht so sehr dafür, dass sie einen Erpressungsversuch enthüllt hatte, sondern für ihr Mitleid mit den Obdachlosen und dafür, dass sie ein gewöhnlicher Mensch war, der Einsamkeit, bittere Not und Sucht erlitten, aber alle diese Übel überwunden hatte. Jetzt gab sie etwas zurück, weil sie wusste, was es bedeutete, verzweifelt zu sein. Die Nacktfotos würden ihren Namen in den Zeitungen halten und noch zu ihrer Bekanntheit beitragen, aber ihre Fans würden ihr verzeihen, denn sie würden sich daran erinnern, dass sie jung und einsam gewesen war.
Mein Gott, wusste
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