Der Fremde aus dem Meer
dachte Penny, sie zittert ja. »Es ist doch nur ein Teller, Margaret.«
»Nein, nein.« Zögernd blickte sie Ramsey an und dann wieder
Penny. Sie setzte zweimal zum Reden an, bevor sie herausplatzte: »Ich habe jahrelang den Verdacht gehabt, dass du seine Tochter bist.«
Penny fuhr zurück. »Was?«
»Ich war mir nie ganz sicher«, beeilte sie sich zu sagen und blinzelte heftig. »Der Gedanke kam mir nie, bis sie starb. Ihr ... Annoras Bild in der Zeitung...« Sie kämpfte gegen ihre Tränen an und versuchte, dem entsetzten Ausdruck in Pennys Augen standzuhalten. »Und das Verschwinden ihrer Tochter wurde auch nur in einer Zeile erwähnt. Damals dachte ich, du könntest...« Ihre Stimme wurde schwächer und erstarb einen Augenblick lang. Auf ihrem Gesicht lag ein Ausdruck völliger Niedergeschlagenheit. »Du hast ja nichts erzählt, Schatz, und nicht einmal das Jugendamt konnte herausfinden, wer du warst. Ich hatte nur das hier«, sie nickte zu dem Medaillon hin, »... und das Jugendamt behauptete, du hättest es aus dem Müll gegraben.«
»Warum, um Himmels willen, hast du nichts gesagt?«
»Was, wenn ich Unrecht gehabt hätte?«, klagte Margaret. »Ich hatte gesehen, wie es auf dich wirkte, verlassen worden zu sein. Diese schrecklichen Alpträume. Du wusstest, dass du irgendwohin gehörtest, aber ich hätte deinen Hoffnungen nichts bieten können, weil ich nichts beweisen konnte. Nicht einmal die Polizei hätte mich ernst genommen.«
»Die Polizei?«
Margaret nickte traurig. »Niemand hätte einer betrunkenen Vagabundin geglaubt, denn das war ich damals. Es war nichts als eine Ahnung, und ich hatte nur ein Zeitungsfoto als Hinweis.« Ihre Schultern sackten nach unten, und sie streckte die Hand aus und streichelte Pennys Haar. »Mein Gott, du warst so ein winziges Ding...« Plötzlich fuhr sie zurück, aber Penny ergriff ihre Hand und führte sie an ihre Wange.
Mit einem Mal war es Penny klar, dass sie diese Last viele Jahre lang allein getragen hatte.
»Ich habe Tag für Tag mit dem Gedanken gelebt, sie könnten jeden Augenblick kommen und dich mir wegnehmen. Und je älter du wurdest, um so härter wurde es für mich, auch nur daran zu denken. Einmal habe ich ein Bild von dir in die Zeitung gesetzt und einige Anzeigen aufgegeben, aber das war auch alles, was ich damals tun konnte. Du musst mir einfach glauben.«
»Natürlich glaube ich dir«, sagte Penny entschieden. Ich habe es ihr so schwer gemacht, dachte sie, und vor ihren Augen begann alles zu verschwimmen.
»Ich musste ganz sicher sein, Schatz. Du warst meine Welt, und ich war nicht bereit, dich an irgendjemanden abzutreten.«
Penny blinzelte, und Tränen rannen ihr die Wangen hinunter. Margaret hob einen Zipfel ihrer Schürze und wischte sie sanft ab.
»Einige Dinge werden sich nie ändern, nicht wahr, Margaret?« Penny ergriff ihre Hand.
»Nein, Schatz. Ich werde dich immer wie mein eigenes Kind lieben.«
»Aber ich gehöre doch wirklich zu dir, und du gehörst zu mir. Erkennst du das nicht?« Ihr Blick forschte in Margarets Augen. »Du bist meine Mutter.« Margarets Augen leuchteten auf, und ihre Züge entspannten sich. »Du hast mich geliebt und für mich gesorgt, obwohl du dazu nicht verpflichtet warst. Du warst der einzige Mensch, auf den ich mich jemals wirklich verlassen konnte.« Sie ergriff ihren Arm. »Du warst meine Familie.«
Margaret starrte sie mit zitternden Lippen an. Dann brach ihre Selbstbeherrschung zusammen, und tiefe Schluchzer erschütterten sie. Penny hielt sie fest, während sie immer wieder sagte, dass ihr alles verziehen sei. So wie Margaret es für sie getan hatte, ihr ganzes Leben lang. Hinter ihr sah sie Ramsey, der heftig blinzelte und dem ein tiefes Seufzen den Brustkorb weitete. Und Penny dankte Gott, dass er vom Himmel in ihr Leben gefallen war.
Es dauerte nicht mal eine Stunde, und das Haus war überschwemmt von Reportern aus der Unterhaltungsbranche. Einige Leute vom Aufnahmestab verlegten elektrische Kabel durch die Gänge und den Haupteingang, während andere die metallenen Kästen mit den Kameras hereinrollten.
»Ramsey«, flüsterte Penny scharf, wobei sie sich auf ihn zu bewegte. Er war wirklich lieb, aber er war so von der Technik fasziniert, dass er im Wege stand.
»Erstaunlich!« Er löste seinen Blick von dem Durcheinander, sah sie an und bemerkte die Röte ihrer Haut. Seit er heute Morgen Alexander für sie angerufen hatte, war sie ungewöhnlich ruhig und reserviert gewesen. »Geht’s dir
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