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Der fremde Gast - Link, C: Der fremde Gast

Der fremde Gast - Link, C: Der fremde Gast

Titel: Der fremde Gast - Link, C: Der fremde Gast Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
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eingezogen hat, ist sie ganz sicher: Dieses Ehepaar, Greta und Fred Lenowsky, hat vor achtzehn Jahren ein Pflegekind zugewiesen bekommen. Vom Jugendamt. Von uns, sozusagen.«
    Bitte nicht!
    »Ein Pflegekind«, wiederholte Clara, um irgendetwas zu sagen.

    »Sie hatten sich beworben«, fuhr Agneta fort, »sehr wohlhabende Leute, er ein angesehener Rechtsanwalt, der in Wirtschafts- und Politikerkreisen verkehrte. Sie konnten keine eigenen Kinder haben, und vor einer Adoption schreckten sie aus irgendwelchen Gründen zurück. Na ja, und du weißt selbst, wie händeringend wir Pflegestellen suchten. Die Leute schienen sehr geeignet.«
    »Wird das … Pflegekind in der Zeitung erwähnt?«, fragte Clara. »Ich meine, gibt es zwischen dem Kind und dem … dem Mord einen Zusammenhang?«
    Aus den Augenwinkeln schielte sie zu dem Strohkorb in der Ecke, in dem sie ausgelesene Zeitungen sammelte, ehe sie sie zum Altpapiercontainer brachte. Die Zeitung von heute lag zuoberst. Sie sollte sie noch einmal hervorholen. Sie hatte entsetzliche Angst vor dem, was sie lesen würde.
    »Das Kind muss inzwischen über zwanzig sein, und es gibt möglicherweise keinen Kontakt mehr zu den Pflegeeltern«, erklärte Agneta. »Jedenfalls steht in der Zeitung, die Lenowskys hätten keine Kinder, und die Polizei suche überhaupt vergeblich nach irgendwelchen Verwandten. Ein Pflegekind wird nicht erwähnt; wie auch, seine Existenz geht ja aus dem Familienbuch oder anderen Familiendokumenten nicht hervor. Sabrina will jetzt die Polizei informieren.«
    »Natürlich. Das muss sie tun. Glaubt Sabrina, dass …?«
    »Was?«
    »Dass die beiden von dem Kind … ich meine, von dem jetzigen jungen Mann oder der jungen Frau …?«
    »Mann«, sagte Agneta, »es war ein kleiner Junge, der damals vermittelt wurde. Du meinst, ob er etwas mit dem Verbrechen zu tun hat?«
    »Aber warum sollte er?«, fragte Clara.
    Sie konnte nicht länger ausweichen.
    »Sabrina erinnert sich, dass es Probleme gab wegen dieses
Kindes. Der Junge wandte sich nämlich an das Jugendamt, nachdem er etwa vier Jahre bei den Lenowskys gelebt hatte. Er bat um Hilfe. Er werde misshandelt und wolle unter allen Umständen fort von seinen Pflegeeltern.«
    Etwas explodierte in Claras Kopf. Der Fall stand vor ihr, so klar und präsent, als sei kein Tag vergangen, seitdem man im Jugendamt über das Kind diskutiert hatte.
    »Marius«, sagte sie, »Marius hieß er.«
    Agneta sagte vorsichtig: »Du warst damals …«
    »Ich war zuständig. Aber ich …«
    »Du bekamst Anweisung von oben, dich nicht darum zu kümmern. Man werde das auf der Ebene des Sozialdezernenten regeln.«
    »Stimmt. Ich … mir waren die Hände gebunden …« Ihr war schwindlig. Sie merkte, dass ihr Atem flach ging.
    »Sabrina war damals bei Kinderruf . Sie betreute das Sorgentelefon. Der kleine Marius rief auch dort an. Allerdings erst ein Jahr später. Er war damals elf.«
    Clara antwortete nicht. Sie zog sich einen Stuhl heran und setzte sich. Ihre Beine waren zu schwach, sie zu tragen.
    »Sabrina wandte sich ebenfalls an das Jugendamt. Man erklärte ihr dort, der Fall sei überprüft worden, aber es habe sich herausgestellt, dass hinter den Anschuldigungen des Kindes gegen seine Pflegeeltern nichts stecke. Sabrina war beruhigt. Ich meine, wir wissen alle, dass es so etwas gibt. Kinder, die behaupten, misshandelt zu werden, aber in Wahrheit ist da nichts dran.«
    »Aber ich habe nichts überprüft«, sagte Clara.
    »Kam dir das nicht seltsam vor? Dass sich plötzlich die Kreise um den Oberbürgermeister herum um etwas kümmern wollten, was in deine Zuständigkeit fiel?«
    Clara versuchte tief durchzuatmen. Ihr Herz raste.
    Sie sah die Clara von damals vor sich. Sehr jung, sehr engagiert.
Ihr war sofort klar gewesen, dass etwas nicht stimmte. Sie kannte Lenowsky. Sie mochte ihn nicht. Sie hätte ihm nie ein Pflegekind gegeben. Aber auch das war auf einer anderen Ebene entschieden worden.
    »Ich habe Marius den Lenowskys nicht zugeteilt«, sagte sie, »ich hatte Anweisung von oben, es zu tun. Lenowsky und der OB waren enge Freunde. Er hat sich über ihn um ein Pflegekind beworben. Was hätte ich denn tun sollen?«
    »Du hättest …«, Agneta stockte. Es war zu einfach, so viele Jahre später über die damals noch so junge Clara zu richten.
    »Ich hatte Angst«, sagte Clara leise, »ich wollte nicht in Schwierigkeiten geraten. Ich habe … ich habe mir das dann auch alles zurechtgeredet. Ich dachte mir, der Oberbürgermeister

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