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Der fremde Gast - Link, C: Der fremde Gast

Der fremde Gast - Link, C: Der fremde Gast

Titel: Der fremde Gast - Link, C: Der fremde Gast Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
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geht dort bei den Lenowskys wahrscheinlich ein und aus. Er hat sich bestimmt überzeugt, ob etwas an den Behauptungen des Jungen dran ist. Wer lässt schon ein Kind im Stich, das misshandelt wird?«
    Agneta schwieg einen Moment.
    »Wir«, sagte sie schließlich, »wir haben den kleinen Marius womöglich im Stich gelassen.«
    »Aber woher willst du das wissen? Agneta, wir wissen es doch nicht !«
    »Er rief später noch einmal bei Sabrina an. Völlig verzweifelt. Er flehte sie an, ihm zu helfen. Sabrina sagt, sie hätte nicht den Eindruck gehabt, dass da ein Kind fantasiert oder sich wichtig machen will. Sie ging wieder zum Jugendamt, hakte noch einmal genauer nach. Erfuhr aber auch nur, der Fall sei sorgfältig geprüft worden, es gebe nicht den kleinsten Hinweis, der die Behauptungen des Kindes untermauere. «
    »Und wenn das stimmte?«
    »Und wenn es nicht stimmte?«

    Beide Frauen schwiegen. Clara fragte sich, wer da so laut atmete, sie oder Agneta. Sie begriff schließlich, dass sie es war.
    »Sabrina und ich finden es seltsam, dass Marius sich nicht bei der Polizei meldet«, sagte Agneta schließlich. »Ich meine, in allen Zeitungen wird von dem Verbrechen berichtet. Die Polizei bittet um Hinweise und fahndet sozusagen nach Bekannten oder Angehörigen. Wäre es da nicht normal, wenn ein Pflegesohn, der von seinem sechsten bis achtzehnten Lebensjahr bei dem Ehepaar gelebt hat, sich an die Polizei wenden würde?«
    »Wir haben Juli«, sagte Clara, »Marius kann verreist sein. Die meisten Leute sind es jetzt. Er kann irgendwo im Ausland sein und nicht das Allergeringste von der ganzen Geschichte mitbekommen haben.«
    »Möglich«, meinte Agneta, aber sie klang nicht überzeugt.
    Clara holte tief Atem.«Was möchtest du mir eigentlich sagen, Agneta?«
    »Begreifst du das nicht?«, fragte Agneta.
    »Ich …«, begann Clara, aber Agneta unterbrach sie: »Wir haben diese Geschichte von damals. Eine reichlich dubiose Geschichte, das musst du zugeben. Ein Kind wird an eine Pflegestelle vermittelt, und zwar in einem ziemlichen Hauruckverfahren über die Köpfe der zuständigen Jugendamtsmitarbeiter hinweg. Dann meldet sich der kleine Junge, und zwar sowohl beim Jugendamt als auch später bei einer privaten Initiative zum Schutz misshandelter Kinder. Er bittet um Hilfe, erklärt, dass er gequält wird und dass er unter allen Umständen diese Pflegestelle wieder verlassen möchte. Abermals wird gemauschelt und die Angelegenheit offenbar über den persönlichen Kontakt einiger einflussreicher Herren, die sich vom Golf- und Segelclub her kennen, geregelt.
Jahre später werden die Pflegeeltern bestialisch ermordet, und die Sozialarbeiterinnen, die an dem Fall beteiligt waren, erhalten hasserfüllte Drohbriefe. Der einstige Pflegesohn ist scheinbar untergetaucht. Muss ich dir noch erklären, was ich denke?«
    Clara presste eine Hand aufs Herz, als könne sie damit sein heftiges Jagen beruhigen.
    »Du könntest dich trotzdem irren.«
    »Ja«, sagte Agneta, »das könnte ich. Und du kannst mir glauben, ich wäre selten so erleichtert über einen Irrtum wie in diesem Fall.«
    »Ich verstehe immer noch nicht ganz, was du eigentlich damit zu tun hast«, sagte Clara. »Warst du an dem Fall überhaupt beteiligt?«
    »Ganz am Rande«, antwortete Agneta. »Die Mitarbeiterin vom Sozialdienst, die damals die Familie des kleinen Marius betreute, war Stella Wiegand. Du erinnerst dich? Sie fiel ein Dreivierteljahr aus wegen ihrer Krebserkrankung. In dieser Zeit habe ich die Familie übernommen. Stella kam dann aber zurück. Sie hat auch den Kindesentzug veranlasst. Insofern hatte ich mit dem eigentlichen Drama nichts zu tun. Aber da Stella später am Krebs starb und somit von niemandem mehr zur Rechenschaft gezogen werden kann, muss ich heute offenbar in meiner Funktion als die Zwischenlösung von damals herhalten.«
    »Ach so«, flüsterte Clara. Sie hatte eigentlich ganz normal sprechen wollen, aber ihre Stimme mochte ihr nicht gehorchen. Sie hatte so sehr gehofft, dass sich zwischen Agneta und der Geschichte von damals keine Verbindung herstellen ließe, denn das hätte den Verdacht, dass hier ein durchgedrehtes ehemaliges Pflegekind Amok lief und Rache für seine leiderfüllte Kindheit nahm, ins Wanken gebracht. Aber nun schien auch Agneta zumindest einen kleinen Anteil an
der Angelegenheit zu haben, und die Wahrscheinlichkeit, dass sie und Sabrina mit ihrer Theorie Recht hatten, wurde größer.
    »Und was nun?«, fragte sie. Ihre Stimme

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