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Der fremde Gast - Link, C: Der fremde Gast

Der fremde Gast - Link, C: Der fremde Gast

Titel: Der fremde Gast - Link, C: Der fremde Gast Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
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ging. Etwas Wichtiges war ihr gelungen: Sie hatte sich zu seiner Verbündeten gemacht. Solange er in ihr die Komplizin sah und nicht die Feindin, hing ihr Leben nicht mehr ausschließlich an einem seidenen Faden. Es würde jedoch ein Balanceakt werden, in ihm das Gefühl wach zu halten, dass sie auf seiner Seite stand. Er war krank, er war
schwer gestört. Und dadurch blieb er letztlich für sie unberechenbar.
    Irgendwann hatte er verkündet, er werde etwas zu essen kochen. Sie hatte dies als ausgesprochen gutes Zeichen gewertet. Als einen winzigen Schritt zurück zur Normalität.
    Sie hatte ihn in der Küche mit allerhand Geschirr klappern hören, Schränke und Schubladen gingen auf und zu, einmal pfiff er sogar leise vor sich hin. Sie hatte ihm eine Perspektive angeboten, an der er immer größeren Gefallen fand.
    Lieber Gott, betete sie im Stillen, lass ihm nur keine Zweifel kommen.
    Die kleinsten Zweifel konnten ihn kippen lassen. Er mochte ein außerordentlich begabter und erfolgreicher Student sein, aber zweifellos war er völlig irrational, wenn es um sein Thema ging. Die kleinste Kleinigkeit mochte sein Vertrauen in Rebecca erschüttern, und es war fraglich, ob ein Appell an seine Vernunft dann noch etwas ändern konnte. Auch hoffte sie, dass ihm die Problematik seines Überfalls auf die beiden Frauen nicht irgendwann bewusst wurde. Er war in das Haus eingedrungen, hielt sie und Inga nunmehr seit zwei Tagen und fast zwei Nächten gefangen. Er hatte sich strafbar gemacht. Es konnte schwierig werden, wenn er begriff, dass auch er auf einer Anklagebank landen konnte.
    Und dann war es zu der Katastrophe gekommen.
    Sie hatte ihn von unten her plötzlich brüllen hören: »Das kann nicht wahr sein! Das gibt’s doch gar nicht! Diese Scheißnutte! Verdammte Scheißnutte!«
    Türen schlugen, Fensterscheiben klirrten. Dann erklangen hastige Schritte auf der Treppe. Marius erschien in der Tür. Er war kalkweiß im Gesicht. »Sie ist weg. Inga ist getürmt! Die verdammte Verräterin ist abgehauen!«
    Er wartete keine Antwort ab, sondern rannte wieder nach
unten. Rebecca hörte ihn im Garten nach seiner Frau rufen. »Inga! Inga, verdammt, wo bist du? Inga, komm sofort zurück! Wenn du nicht sofort da bist, wirst du mich kennen lernen! «
    Jetzt dreht er durch, dachte Rebecca. Ihre Chancen, Marius zu beruhigen und die ganze Geschichte zu einem guten Ausgang zu führen, waren erheblich gesunken, wenn sie sich nicht völlig verflüchtigt hatten. Ingas Flucht war zu einem denkbar schlechten Zeitpunkt geglückt – oder Marius hatte sie zumindest zu einem denkbar schlechten Zeitpunkt entdeckt. Vielleicht war die junge Frau ja schon seit dem Morgen auf und davon.
    Nein, dachte Rebecca, das kann nicht sein. Dann wäre längst die Polizei da.
    Inga konnte nur vor nicht allzu langer Zeit geflüchtet sein. Hoffentlich irrte sie nicht noch auf dem Grundstück herum. Hoffentlich gelang es ihr zu entkommen. Nachdem Marius nun glaubte, verraten und hintergangen worden zu sein, war die Polizei die einzige Chance, die Rebecca hatte.
    Irgendwann war Marius wieder heraufgekommen. Schweißnass im Gesicht, fahl, mit grauen Lippen und zitternden Händen.
    »Ich verstehe das nicht. Ich verstehe das nicht. Ich verstehe das nicht!«
    Unglücklicherweise hatte er wohl, noch ehe er Ingas Flucht entdeckte, irgendeine Mahlzeit auf den Herd gestellt. Daher nun der intensive Geruch nach Verbranntem, den Marius überhaupt nicht zu bemerken schien.
    »Was hat sie mir nicht immer alles erzählt! Dass sie mich liebt, dass sie für immer mit mir zusammen sein will. Dass ich ihre große Liebe bin, und blablabla … Du hättest sie hören müssen! Und jetzt das! Jetzt tut sie so etwas! Dieses widerliche, heimtückische Stück Scheiße!«

    »Es ist doch nicht so, dass sie Sie nicht mehr liebt, Marius. Aber sie hatte Angst. Versuchen Sie doch einmal, sich in ihre Lage zu versetzen. Sie haben sie gefesselt. Bedroht. Sie hatte keine Ahnung, warum. Sie musste doch denken, sie ist in einem Albtraum gelandet. Irgendwann wollte sie sich wahrscheinlich nur noch in Sicherheit bringen.«
    Er wischte sich hektisch mit dem Unterarm über das vor Nässe glänzende Gesicht. »Du hast das auch nicht getan! Du hast angefangen, mich zu verstehen!«
    »Weil Sie mir die Gelegenheit dazu gegeben haben. Wir sitzen hier seit endlosen Stunden. Ich kenne inzwischen alle möglichen Einzelheiten Ihrer Geschichte. Ich habe es leicht, Sie zu verstehen. Aber Inga? Haben Sie ihr

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