Der fremde Gast - Link, C: Der fremde Gast
Genua beschäftigt, die er
am Vorstag, dem dünnen Draht, der sich zwischen Bugspitze und Mast spannte, anschlug.
»Sie wissen wirklich gut Bescheid«, sagte Maximilian anerkennend, »bei Ihnen sitzt jeder Handgriff. Obwohl Ihnen das Schiff ja völlig fremd ist.«
»Ich hab Ihnen doch gesagt, dass ich seit meiner Kindheit in allen Ferien mit Segelschiffen zu tun hatte«, erwiderte Marius, ohne seine Arbeit zu unterbrechen.
Maximilian faltete das Großsegel auf dem Baum zusammen und zurrte es fest. »So«, sagte er, »und jetzt müssen wir mal sehen, was der Motor macht. Das Schiff lag lange still. Ich hoffe, dass die Batterie nicht am Ende ist.« Er sah Inga an.
»Und Sie? Sind Sie auch so ein Segelprofi?«
Sie schüttelte lachend den Kopf. »Ich bin viel mit Marius gesegelt, deswegen habe ich ein bisschen Ahnung. Aber ich bin nicht im Mindesten als Profi zu bezeichnen.«
»Sie ist wirklich gut«, sagte Marius, »sie ist viel besser, als sie sich jetzt darstellt.«
»Wenn das stimmt, dann nur deshalb, weil du ein guter Lehrer bist«, entgegnete Inga mit Wärme in der Stimme, und sie und Marius tauschten einen Blick voller Nähe und Zärtlichkeit.
»Sie wollen heute segeln?«, fragte jemand hinter Inga auf Französisch, und sie wandte sich erstaunt um. Sie kannte den tief gebräunten Mann nicht, der unbemerkt herangetreten war, aber Maximilian mischte sich sofort ein.
»Bonjour, Albert. Inga, das ist Albert, der Hafenmeister. Albert, Inga ist die Frau von Marius, den Sie ja gestern kennen gelernt haben. Die beiden wollen es heute mal probieren. «
Albert legte das Gesicht in Falten und betrachtete eingehend den Himmel. »Der Mistral kommt noch einmal zurück«, bemerkte er.
»Heute noch?«, fragte Inga. »Es scheint doch alles ganz ruhig zu sein.«
»Er kommt zurück«, beharrte Albert, »irgendwann heute Nachmittag.«
»Gibt es Probleme?«, fragte Maximilian. Er hatte gerade versucht, den Anlasser des Motors zu betätigen, aber ohne Erfolg.
Albert deutete in Richtung Berge. Inga konnte dort nichts sehen, außer dass der Himmel geradezu überirdisch blau und leuchtend war, aber den Männern schienen sich geheimnisvolle Zeichen aufzutun, denn Maximilian nickte. »Der Mistral. Wir haben ihn noch nicht hinter uns.«
Marius war mit der Genua fertig und strich sich kurz über den Rücken. »Das kann aber sicher noch dauern«, meinte er.
Albert wiegte den Kopf hin und her. »Ich sagte ja, voraussichtlich heute Nachmittag.«
»Vorher nicht?«, wollte Inga ängstlich wissen.
»Unwahrscheinlich, Madame.«
»Albert ist ziemlich gut in seinen Prognosen«, sagte Maximilian, »er hat sein ganzes Leben hier verbracht. Ich habe noch nie erlebt, dass er sich geirrt hätte. Felix und ich haben uns beim Segeln stets nach ihm gerichtet, und es gab nie Schwierigkeiten.«
»Es ist jetzt zehn Uhr am Morgen«, sagte Marius. »Ich schlage vor, dass Inga und ich um vier Uhr heute Nachmittag wieder hier sind. So haben wir genug Zeit und sind trotzdem auf der sicheren Seite.«
»Aber wirklich spätestens um vier!«, beharrte Albert noch einmal.
»Dafür wird Inga schon sorgen«, sagte Marius, und sie nickte sofort. »Darauf können Sie sich verlassen.«
Maximilian war in der Kajüte verschwunden und tauchte
nun mit zwei Schwimmwesten wieder auf. »So. Die legen Sie bitte an. Das ist Pflicht auf der Libelle .«
Er streckte die Hand aus, um Inga auf das Schiff hinüberzuhelfen. Sie fühlte sich nicht sehr trittsicher in ihren Badeschuhen, aber sie gelangte ohne Schwierigkeiten auf die schaukelnden Planken. Sie zog ihre Schwimmweste an und bemerkte, wie ihre Vorfreude immer mehr stieg.
»Was für ein herrlicher Tag«, sagte sie, »und wie nett von Rebecca, uns ihr Schiff zu überlassen. Sie müssen ihr das auch noch einmal sagen, Maximilian.«
»Mache ich.« Er sah Marius an. »Ich versuche jetzt, den Motor mit der Handkurbel in Gang zu setzen. Die Batterie ist ziemlich am Ende, aber wenn der Motor läuft, wird sie sich aufladen. Sie sollten das im Auge behalten.«
»Ist klar. Wo ist die Kurbel?«
Sie fanden sie schließlich, und es dauerte noch einige Minuten, bis sie die Treppe, die in die Kajüte führte, ausgehängt hatten, um an den dahinterliegenden Motor zu gelangen. Inga hielt den Atem an, aber plötzlich erklang das ersehnte Tuckern, und der Geruch des Dieselöls waberte durch die klare Luft.
Maximilian schwang sich auf den Bootssteg zurück. »Ich hole Sie beide um vier Uhr wieder ab«, sagte er.
Wie schön
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