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Der fremde Gast - Link, C: Der fremde Gast

Der fremde Gast - Link, C: Der fremde Gast

Titel: Der fremde Gast - Link, C: Der fremde Gast Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
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eine spießige Vorstadtpflanze, die sich tunlichst aus allem heraushielt, was ihr in irgendeiner Weise Schwierigkeiten bringen konnte. »Wir warten noch zwei oder drei Tage«, fuhr er fort, »aber dann sollten wir etwas unternehmen. Sie haben ja das Haus ständig im Auge. Würden Sie mich anrufen, wenn sich irgendetwas tut?«
    »Klar«, sagte Karen. Insgeheim sandte sie ein Stoßgebet zum Himmel, es möge sich jetzt schnell etwas tun . Die Lenowskys sollten braun gebrannt und quicklebendig von einem Urlaub zurückkehren, und alles sollte sich als ein Missverständnis zwischen ihnen und der Person, die für das Haus hatte sorgen sollen, herausstellen. Sie dachte an die Lichter in der Nacht. Im tiefsten Innern glaubte sie nicht an eine harmlose Lösung.
    Der Gärtner gab ihr seine Visitenkarte und notierte Karens Namen und ihre Telefonnummer auf einer anderen Karte.
    »Man weiß ja nie«, meinte er, »vielleicht fällt mir noch etwas ein, das ich Ihnen sagen möchte.«
    Er hieß Pit Becker, und auf seine Karte waren Blumen und Bäume gedruckt.
    »Falls Sie auch mal einen guten Gärtner brauchen …«,
meinte er noch und lachte. Unwillkürlich musste Karen denken, wie hübsch es in ihrer Lage wäre, ein Verhältnis mit einem Gärtner zu beginnen. Morgens, wenn die Kinder in der Schule waren. Pit sah sehr gut aus, er war groß und breitschultrig und tiefbraun gebrannt. Ebenso klar war aber auch, dass er sie als Frau völlig uninteressant fand. In seinen Augen war sie die typische Mutti aus einer gutbürgerlichen Siedlung am Stadtrand. Eine potenzielle Kundin, mehr nicht.
    Sie verließen das fremde Grundstück und das stumme, dunkle Haus. Pit stieg in seinen Kleinbus, der ebenfalls mit Blumen und Bäumen bemalt war, hob noch einmal die Hand zum Gruß und fuhr davon. Karen sah ihm lange nach, dann betrat sie mit schweren Schritten ihr eigenes Grundstück und schloss die Haustür auf. Kenzo sprang auf sie zu und warf sie fast um in seiner Begeisterung.
    »Wenigstens du freust dich, wenn du mich siehst«, sagte sie.
    Er blickte sie aus seinen großen, schwarzen Augen liebevoll an. Dann schoss er an ihr vorbei in den Garten. Er rannte zum Zaun und bellte das Nachbarhaus an, minutenlang, bis Karen ihn zurückrief, weil sie fürchtete, es könne sich wieder jemand beschweren.
    4
    Die Libelle dümpelte in einer vom Mistral unruhig zurückgelassenen See hin und her, mit angeschlagenen Segeln, ringsherum von tief türkisfarbenem Wasser umgeben, über sich den blauen Himmel mit ein paar Wolken, und vor sich steil ins Wasser abfallende Felsen, die weiter oben in einen dicht bewaldeten Berg übergingen.

    Ein fast perfekter Tag.
    Ein fast perfekter Urlaub, dachte Inga schläfrig.
    Sie lag ausgestreckt auf einer der Bänke im Cockpit, bekleidet mit einem winzigen Bikini, und genoss die Wärme der Sonne auf ihrem Bauch. Sie hatte sich ihren Strohhut über das Gesicht gelegt, denn sie verbrannte leicht, und außerdem blendete sie die senkrecht stehende Mittagssonne. Sie vermutete, dass sie eine Weile geschlafen hatte, und überlegte, weshalb sie wach geworden war. Das Wasser war aufgewühlt, aber bislang waren die Wellen groß und lang gestreckt gewesen, das Schiff hatte sich in regelmäßigen Abständen gehoben und gesenkt. Aber nun waren seine Bewegungen unruhiger geworden, und vielleicht hatte dieser veränderte Rhythmus Inga erwachen lassen. Sie schob ihren Hut zur Seite und richtete sich auf. Ein leichter Wind war aufgekommen, und die Wolken am Himmel rollten sich zu der Form stark gebogener Kommas zusammen. Albert hatte Recht gehabt: Der Mistral kehrte zurück.
    Sie sah sich um, konnte aber Marius nirgends auf dem Schiff entdecken. Schließlich entdeckte sie ihn zwischen den Wellen; zu seiner Sicherheit mit dem Schiff durch eine Sorgleine verbunden, schwamm er dort in seinem eigenwilligen, immer etwas aggressiv anmutenden Schwimmstil. Gerade wandte er den Kopf und sah zum Schiff herüber. Vielleicht war auch ihm das Zunehmen des Windes bewusst geworden.
    Sie winkte ihm zu, er winkte zurück, und dann kraulte er mit kraftvollen Bewegungen auf das Schiff zu.
    Es ist unglaublich, dachte Inga, wir sind ganz allein hier. Hoffentlich können wir das Schiff öfter benutzen in den nächsten zwei Wochen.
    Marius hatte die Libelle erreicht und kam die Badeleiter heraufgeklettert. Inga stellte wieder einmal fest, wie attraktiv sie ihn fand. Sie waren seit zwei Jahren verheiratet, und
ihre Beziehung hatte den Punkt erreicht, an dem man den

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