Der fremde Gast - Link, C: Der fremde Gast
Partner eigentlich nicht mehr mit staunenden Augen, sondern mit einer gewissen Selbstverständlichkeit betrachtet, aber doch dachte sie in diesem Moment: Wie gut er aussieht! Wie jung. Und stark.
Auf einmal, so heiß und schwer von der Sonne, konnte sie sich gut vorstellen, ihn jetzt gleich, in diesem Moment, auf diesem Schiff, zu lieben, und die Frage war nur, ob der Mistral ihnen die Zeit ließe. Wahrscheinlich nicht. Besser, sie machte den Vorschlag gar nicht erst.
Sie beobachtete, wie Marius mit sicheren und geübten Griffen das Großsegel am Mast hinaufzog. Er bewegte sich auf dem Schiff, als habe er seit Jahren ständig dort zu tun, und gerade wollte sie ihm deswegen ihre Bewunderung aussprechen, da sagte er plötzlich beiläufig: »Wir sollten mit dem Kahn abhauen. Was meinst du?«
Sie lachte. Er sagte manchmal seltsame Dinge. Er liebte es, ernsthafte Dialoge über völlig abwegige Dinge zu führen, und Inga hatte dieses Spiel schon oft mitgespielt und sich dabei amüsiert.
»Das sollten wir unbedingt tun«, meinte sie träge, »wir könnten endlich die Welt umsegeln. Es würde mir mehr Spaß machen, als zur Uni zurückzukehren.«
Marius rubbelte sich mit dem Handtuch die Haare. »Auf diesem Boot kann man nicht die Welt umsegeln. Aber wenn wir es verkaufen, bringt es uns eine schöne Stange Geld, und wir könnten irgendwo eine neue Existenz beginnen.«
»Aber dann im Süden. Ich möchte, dass es immer so warm ist wie heute. Ich habe keine Lust mehr auf einen kalten, regnerischen Winter im Norden. Könnten wir unsere neue Existenz nicht in Kalifornien oder so aufbauen?«
Marius war fertig mit dem Segel. Er zog Shorts und T-Shirt an und schlüpfte in seine Schwimmweste.
»Du solltest dich auch anziehen und die Schwimmweste anlegen«, meinte er, »der Wind nimmt ganz schön zu.«
Inga sprang auf und griff nach ihren Sachen. Im Wind war jetzt eine kühle Strömung, die sie frösteln ließ. »Wir sollten schleunigst zum Hafen zurück. Ich möchte ungern wie eine Nussschale hier auf den Wellen herumtanzen.«
»Quatsch«, sagte Marius schroff, »doch nicht in den Hafen zurück. Wer weiß, ob uns die Alte noch mal auf das Boot lässt. Das hier ist unsere Chance, und die verspielen wir nicht.«
Sie zog langsam ihr T – Shirt über den Bauch. Wie frisch es auf einmal ist, dachte sie. Sie schaute Marius an. Es war nicht der Moment für ein Spiel, das musste er begreifen. Der Wind nahm mit jeder Minute zu. Sie hatten schon zu lange gewartet.
»Marius, ich bin jetzt wirklich ein bisschen nervös. Ich bin nicht so ein Seefahrer wie du. Ich will festen Boden unter den Füßen haben, wenn der Mistral richtig loslegt, kannst du das verstehen?«
»Ich bin schon unter ganz anderen Bedingungen gesegelt«, sagte Marius, »ich lasse mich bestimmt nicht von einem lächerlichen Mistral bezwingen.«
»Wir haben versprochen, dass wir um vier Uhr zurück sind. Maximilian will uns abholen. Ich möchte nicht, dass er wartet.«
»Der holde Maximilian kann warten, bis er schwarz wird. Der stinkt mir sowieso schon die ganze Zeit. Oder glaubst du, ich habe nicht bemerkt, dass er ein Auge auf dich geworfen hat? Der ist scharf auf dich, das sieht doch ein Blinder!«
Sie lachte wieder, aber diesmal klang es sogar für sie selbst unecht. »Marius, jetzt spinnst du. Der ist an Rebecca interessiert, und zu uns ist er einfach nur nett. Steigere dich da jetzt nicht in etwas hinein!«
»Klar, dass du das sagst. Dir gefällt es natürlich, wie er dich anglibbert. Hast du dir mal überlegt, dass das für mich vielleicht nicht ganz so witzig ist wie für dich?«
In seiner Stimme war ein Ton, den sie nicht kannte. Unsicher blickte sie ihn an. »Ist das jetzt ein Spiel oder nicht?«, fragte sie. »Wenn es ein Spiel ist, möchte ich es beenden. Ich habe Angst vor dem Meer. Ich will in den Hafen zurück.«
»Und ich habe gesagt, wir verpissen uns und machen den Kahn zu Geld!«
»Spinnst du? Das meinst du doch nicht im Ernst?«
Es war nicht nur ein unbekannter Ton in seiner Stimme. Es war auch ein fremder Ausdruck in seinen Augen.
»Wenn ich etwas sage, meine ich es immer ernst. Das solltest du irgendwann einmal begreifen.«
»Aber das ist … das ist doch verrückt! Wir können doch nicht etwas tun, das … das einfach kriminell ist! Warum auch? Ich meine, so schlecht geht es uns doch wirklich nicht. Du willst ein Schiff stehlen und für den Rest deines Lebens auf der Flucht vor der Polizei leben?« Das ist Irrsinn, dachte sie, das
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