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Der fremde Gast - Link, C: Der fremde Gast

Der fremde Gast - Link, C: Der fremde Gast

Titel: Der fremde Gast - Link, C: Der fremde Gast Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
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scheint sich ungewöhnlich schnell schlecht behandelt oder zurückgesetzt zu fühlen«, sagte Rebecca, »und seine Reaktion auf dieses Gefühl ist … ist …« Sie stockte.
    »Es ist fast paranoid«, sagte Inga, »das können Sie ruhig aussprechen.« Sie rieb sich wieder den schmerzenden Kopf. »Damals sprach ich auch die Sache in der Mensa noch mal
an. Da hatte er zwar nicht getobt, aber sich so unangenehm … großkotzig aufgeführt. Jedenfalls hatte ich mich da ja auch blamiert gefühlt. Aber ich konnte ihm dieses Gefühl nicht vermitteln. Er verstand nicht, was ich meinte. Er beharrte darauf, dass man versucht habe, ihn schlecht zu behandeln – entweder, indem man ihm minderwertiges Essen anzudrehen versuchte wie in der Mensa, oder ihn über Gebühr lange warten ließ wie im Supermarkt –, und er war eher tief erstaunt über mich, dass ich mir das alles bieten ließ, ohne aufzumucken. Wir hörten irgendwann auf zu streiten, aber wir waren nicht zu einem Ergebnis gelangt. Keiner von uns hatte eingelenkt.«
    Rebecca sagte vorsichtig: »Sie müssen sich doch immer ein bisschen wie auf einem Pulverfass gefühlt haben, oder? Es konnte jederzeit wieder passieren. Das war Ihnen bewusst, nicht wahr?«
    Inga konnte nicht aufhören, ihre Schläfen zu massieren. Der Kopfschmerz schien stärker zu werden.
    »Ja«, sagte sie leise, »wobei ich glaube, ich habe das mit größter Anstrengung verdrängt. Immer wieder. Ich habe mir eingeredet, das seien Ausrutscher gewesen … er hatte eben einen schlechten Tag … jeder steht mal neben sich … so in dieser Art. Dabei …«
    »Ja?«
    »Irgendwie war diese Attitüde immer da. Manchmal nur ganz schwach ausgeprägt, dann wieder stärker. Es war spürbar in der Art, wie er Kellner im Restaurant behandelte. Wie er mit Handwerkern umsprang. Oder mit Lieferanten … Immer ein Stück von oben herab, manchmal fast unhöflich. Und immer … nun, ich hielt immer den Atem an. Irgendwie spürte ich, dass es zum Eklat kommen könnte, wenn sich solche Leute plötzlich arrogant verhalten würden, wenn sie nicht springen würden, wie er es wollte. Er schien darauf zu
lauern. Ich … ich atmete jedes Mal tief durch, wenn eine solche Situation vorüber war, und es war nichts passiert.«
    Sie schwieg, starrte in den blauen Himmel hinauf. Auch Rebecca sagte eine Weile nichts. Schließlich meinte sie: »Wie anstrengend. Es waren … nicht nur gute Jahre mit ihm, oder?«
    »Nein«, sagte Inga, »wirklich nicht. Aber dann wieder … « Sie musste lächeln in der Erinnerung. »Es konnte so lustig sein mit ihm. So spontan und unkompliziert. Er hatte dauernd neue Einfälle, was man machen könnte. Mit ihm landete ich in völlig verrückten Kneipen, in obskuren Hinterhoftheatern, in Jazzkellern oder Transvestitenshows. Wir fuhren in Sommernächten an die Isar und badeten, oder wir schwänzten beide unser Seminar und machten eine Langlauftour im Chiemgau, weil wunderschöner hoher Schnee lag und Marius fast ausflippte vor Begeisterung darüber. Wissen Sie, das war das Schöne an ihm, diese Begeisterungsfähigkeit. Ich profitierte davon. Ich bin viel ernster, und ich habe immer Skrupel, wenn ich nicht genau das tue, was von mir erwartet wird. Ich bin übrigens auch die Ältere von uns beiden. Ich bin sechsundzwanzig, Marius ist vierundzwanzig. Aber manchmal kommt es mir vor, als lägen viel mehr Jahre als nur zwei zwischen uns. Mindestens zehn.«
    »Was studieren Sie?«, fragte Rebecca.
    »Germanistik und Geschichte. Ich bin bald fertig. Marius schien es egal zu sein, wie lange sein Studium dauert. Er will Rechtsanwalt werden, aber er hat noch keinen Schein je im ersten Anlauf geschafft. Nicht, weil er zu dumm wäre. Im Gegenteil, er schreibt hervorragende Noten. Aber er bricht oft zwischendurch ab. Fängt eine Hausarbeit an, hat plötzlich keine Lust mehr. Steht mitten in einer Klausur auf und verlässt den Hörsaal, weil draußen die Sonne scheint und er findet, man solle an einem solchen Tag lieber ins Schwimmbad
gehen. Mir hat das imponiert. Neben ihm kam ich mir immer ganz langweilig und pflichtbewusst vor. Und ich dachte, wie gut, dass ich jemanden habe, der mich mitreißt. Der mich dazu bringt, auch mal etwas Verrücktes zu tun. Nicht nur vernünftige Dinge.« Sie schaute Rebecca ängstlich an. » Können Sie das verstehen? Oder finden Sie … finden Sie, dass Marius verrückt ist, und dass ich das hätte merken müssen?«
    Ein paar Möwen schrien laut und enthoben Rebecca einige Sekunden lang

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