Der fremde Gast - Link, C: Der fremde Gast
auch mein Wochenende. Bitte versuche nie wieder, mich zu einem verdammten Kaminfeuer-und-Champagner – Event im Garten zu überreden, wenn du mir in Wahrheit nur wieder etwas vorheulen willst!«
Er verließ die Terrasse. Drinnen knallte die Wohnzimmertür. Kenzo jaulte auf.
So war der Samstag verlaufen.
Am Sonntag verschwand Wolf schon am frühen Morgen mit den Kindern ins Schwimmbad. Karen wusste, dass er öffentliche Bäder hasste, noch dazu an einem Sonntag, der heiß und wolkenlos war und an dem sich die Menschen dort
wahrscheinlich gegenseitig fast tottrampeln würden. Aber er wollte weg. Egal wohin, nur weg von seiner Frau. Niemand fragte Karen, ob sie mitwollte, auch die Kinder nicht.
Er färbt schon ab, dachte sie, als sie allein an dem hastig verlassenen, chaotischen Frühstückstisch saß und Kenzo zuhörte, der draußen das Nachbarhaus anbellte. Die Kinder merken, dass er mich wie Dreck behandelt, und so übernehmen sie es. Sie sehen, dass ich mich nicht wehre. Wahrscheinlich verachten sie mich.
Sie sammelte ihre ganze Kraft, um schließlich den Tisch abzuräumen, die mit Honig und Eigelb verklebten Teller in die Spülmaschine zu sortieren, die Brotkrumen aus dem Tischtuch zu schütteln und Kenzos Futterschüssel auszuwaschen. Dann schlich sie durch die Kinderzimmer, klaubte Unterhosen und verschwitzte T – Shirts zusammen und fragte sich, weshalb die Kinder mit solch eiserner Konsequenz ihre wiederholt vorgetragene Bitte, die Wäsche in den Korb im Bad zu werfen, ignorierten. Vielleicht hörten sie ihr gar nicht zu. Zumindest nahmen sie das, was sie sagte, offenbar keinen Moment lang ernst.
Der Sonntag war in quälender Einsamkeit vergangen. Es war so heiß draußen, dass es Karen selbst unter der Markise auf der Terrasse nicht aushielt und sich schließlich in das kühlere Wohnzimmer zurückzog. Zuvor hatte sie Kenzo mindestens dreimal vom Zaun weggezogen und ihm klar zu machen versucht, dass sein andauerndes Bellen sie alle irgendwann in Schwierigkeiten bringen würde. Er hörte ihr aufmerksam zu, scherte sich aber nicht um das, was sie sagte.
Wahrscheinlich färbt Wolf selbst auf ihn schon ab, dachte sie.
Sie hatte mittags ein trockenes Stück Brot gegessen, weil sie sich weder aufraffen konnte, etwas zu kochen, noch sich auch nur eine Scheibe Käse oder etwas Butter aus dem Kühlschrank
zu holen. Sie hatte versucht, ein Buch zu lesen, musste jedoch bald einsehen, dass es ihr nicht gelang, sich nur einen einzigen Satz, den sie las, zu merken. Um irgendetwas Sinnvolles zu tun, stellte sie schließlich die Waschmaschine an, nur halb voll, weil sie nicht genug Wäsche zusammenbekam. Sie hatte erst am Vortag gewaschen. Wolf würde schimpfen über diese Energieverschwendung. Wenn er sie denn bemerkte, was nicht gerade wahrscheinlich war.
Am späteren Nachmittag fühlte sie sich so verzweifelt allein, dass sie ihre Mutter anrief, obwohl sie schon vorher wusste, dass ihr das Gespräch mit ihr nicht gut tun würde. Aber ihr Verlangen, eine menschliche Stimme zu hören, war so groß geworden, dass sie sogar bereit war, ihre Mutter zu ertragen.
Natürlich jammerte ihre Mutter über die Hitze und darüber, dass sie nur einen kleinen Balkon hatte, zwischen dessen Steinmauern sich die Wärme noch mehr staute und den Aufenthalt dort wie überhaupt das ganze Dasein völlig unerträglich sein ließ.
»Ein Garten, das wäre es jetzt«, sagte sie, »ein schöner, grüner Garten, wo man im Schatten eines Baumes im Gras liegen kann, und der Wind fächelt einem Luft zu. Das müsste schön sein!«
Karen wusste genau, dass ihre Mutter auch dann noch jammern würde, entweder über die Ameisen oder die piekenden Grashalme oder über ein Flugzeug, das im Laufe eines Nachmittags einmal über sie hinwegfliegen mochte. Trotzdem hatte sie sofort Schuldgefühle. Sie hätte Mama über das Wochenende einladen sollen. Sie ließ ihre Mutter viel zu selten kommen, mit Rücksicht auf Wolf, der Schwiegermutterbesuch am Sonntag als Zumutung empfand, aber das war natürlich dumm von ihr, denn Wolf ging ohnehin seiner eigenen Wege und kümmerte sich nicht um ihre Einsamkeit.
Ich sollte endlich tun, was ich möchte, dachte sie, aber das Schlimme war, dass sie manchmal das Gefühl hatte, genau das nicht zu wissen: was sie eigentlich wollte. Mama am Sonntag bei sich haben? Eigentlich nicht. Es hätte nur ihr Gewissen erleichtert, ihr jedoch nicht wirklich Freude bereitet.
»Vielleicht hätten wir das mit unseren Ferien doch
Weitere Kostenlose Bücher