Der Fremde ohne Gesicht
bist es wert. Willst du mir Handschellen anlegen?«
»Nein, dazu gefällt mir viel zu gut, was du mit deinen Händen anstellst. Ich habe mich nur gefragt, ob du schon einmal gefesselt wurdest?«
Kate nahm einen langen Zug von ihrer Zigarette, bevor sie antwortete. »Ein paar Mal.«
»Ist das nicht gefährlich? Du könntest verletzt werden, oder Schlimmeres.«
Kate zuckte die Achseln. »Kann schon ein bisschen rau werden. Ein paar von den Mädels hat es ganz schön gebeutelt. Aber ich habe mir das nur von Leuten gefallen lassen, die ich gut kannte.«
»Magst du es?«
»Es gibt nur einen Kerl, mit dem mir Sex Spaß macht. Also ist es eigentlich egal, ob ich es mag oder nicht. Manche Stecher mögen es offenbar. Sie zahlen gut, also ist es mir recht.«
Ihre letzte Bemerkung gab Sharman zu denken. Kate bemerkte, wie er sie ansah.
»Ach Stan, gib’s auf. Ja, du bist es, bevor du mich fragst. Bist du jetzt glücklich?«
Das war er, mehr, als sie ahnte. Er fragte weiter. »Tun sie dir jemals weh?«
»Ein bisschen, aber nicht der Rede wert.«
Er spürte, wie schon bei dem Gedanken daran Zorn in ihm aufstieg. »Wie geht das vor sich?«
Kate drückte ihre Zigarette aus. »Verschieden. Manche Stecher spielen gern Vergewaltiger, um ihre Fantasien auszuleben. Nippelklammern, Vibratoren, Stöcke, meistens nichts allzu Schlimmes. Es gibt spezielle Angebote für Leute, die auf so etwas stehen. Einige Mädchen sind auch schon mal geschnitten worden, aber mir ist das nie passiert. Ich biete eher die traditionelle Hausmannskost, das ist sicherer.«
»Verbrennungen mit Zigaretten?«
Sie nickte. »Soll vorkommen.«
»Gehen die Mädchen nicht zur Polizei, wenn ihnen so etwas passiert?«
Kate gab ein kurzes, gekünsteltes Lachen von sich. »Den Bullen ist das doch scheißegal. Wenn irgend so ein Mistkerl eine umbringt, unternehmen sie vielleicht was, aber nicht vorher. Außerdem zahlen die Stecher meistens erheblich mehr, wenn sie merken, was sie angerichtet haben und in was für einer Scheiße sie jetzt sitzen. Ein Bündel Scheine schafft ihnen das Problem vom Hals.«
Sharman schüttelte ungläubig den Kopf. Was Leute für Geld alles in Kauf nahmen. »Hast du schon einmal im Bett alle viere von dir strecken müssen?«
Kate lachte. »Fast jeden Tag und jede Nacht.«
»Ich meine, gefesselt?«
»Einmal, aber nicht lange«, erwiderte sie.
Er horchte auf. »Wie meinst du das?«
»Gar nicht so einfach, so Sex zu haben. Du kannst dich nicht bewegen, kriegst die Hüften nicht hoch, wenn du verstehst, was ich meine. Mit den Händen über dem Kopf und freien Beinen geht es viel besser. So hat der Stecher dich im Griff, kann dich aber auch bewegen. Nein, alle viere abgespreizt ist Mist, die schlechteste Stellung, die man sich aussuchen kann. Sieht aber gut aus«, fügte sie mit einem Augenzwinkern hinzu.
Er zündete ihnen zwei neue Zigaretten an. »Kannst du mir die Namen der Mädels beschaffen, die mit Kippen verbrannt worden sind?«
Kate funkelte ihn an. »Willst du fremdgehen?«
»Nein. Es könnte bei einer Sache helfen.«
»Bei was für einer Sache?«
»Kann ich nicht sagen, aber es ist wichtig.«
»Die Frau von diesem Abgeordneten, was? Ich habe gehört, sie ist erstochen worden.«
Sharman seufzte. »Da hast du was Falsches gehört.«
»Ich dachte, du wärst aus diesem Fall draußen?«
Allmählich fragte er sich, wer noch alles davon wusste. Langsam wurde es wirklich lachhaft. »Bin ich auch, das kann es also nicht sein.«
Kate schaute wieder zur Decke empor. »Ich sehe mal, was sich machen lässt. Aber von mir hast du es nicht erfahren, klar?«
Er nickte. »Klar, danke. Übrigens, was bin ich dir schuldig?«
Kate rührte sich nicht. »Geht heute aufs Haus. Es hat mir Spaß gemacht, danke.«
Diesmal tastete Sharman nach ihrer Hand und drückte sie, aber sie zog sie sofort weg. »Nur nicht sentimental werden, Stan. Dafür ziehe ich dir wahrscheinlich das nächste Mal mehr ab.«
Adams schaute auf seine Uhr – sechs Uhr achtundzwanzig. Er hatte vor, um sechs Uhr dreißig hineinzugehen; während der nächsten zwei Minuten würden also alle warten müssen. Es war ein guter Tipp gewesen. Mehr Information, als die »hilfsbereiten« Stecher normalerweise von sich gaben. Wäre es nicht so gewesen, so hätte er diese Razzia im Morgengrauen bestimmt nicht veranlasst. Wer immer hinter diesem Anruf steckte, wusste genug nicht veröffentlichte Einzelheiten über den Mord, um sich aufmerksames Gehör zu verschaffen.
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