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Der fremde Pharao

Der fremde Pharao

Titel: Der fremde Pharao Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pauline Gedge
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herrscht ein solcher Friede«, sagte Kamose, während Si-Amun die langen Beine kreuzte. »Abgesehen von der Wüste kann auch dieser Ort heilen und alles in den richtigen Blickwinkel rücken.« Als Si-Amun dazu nichts sagte, fuhr er fort: »Geht es ihnen einigermaßen? Was macht Tani?«
    »Die habe ich Heket übergeben. Es hat sie schlimm getroffen.«
    »Sie trägt ja auch die doppelte Last.« Kamose bewegte sich und verzog das Gesicht, als er den Verband unter seinem Arm abtastete. »Sie braucht Ramose mehr als irgendjemanden sonst. Sag, Si-Amun, was hast du jetzt vor?«
    Si-Amun erschrak. »Wieso?«
    Kamose knurrte: »Du bist Vaters Erbe. Du triffst jetzt die Entscheidungen.«
    »Wie aufgeblasen du dich anhörst«, blaffte Si-Amun zurück, und Kamose entschuldigte sich hastig.
    »Tut mir Leid, Bruder. Aber hinsichtlich Mersus müssen wir etwas unternehmen. Falls er argwöhnt, dass wir von seiner Untat wissen, wird er einfach verschwinden, und das schon bald.«
    Si-Amun nickte zögernd. »Ich weiß. Ich will ihn noch vor Sonnenuntergang verhaften lassen. Aber, Kamose, wir sind in Trauer. Man kann ihn vor Gericht stellen, aber nicht hinrichten, bis Vater in seinem Grabmal ruht. Einfacher wäre es, ihm im Dunkeln die Kehle durchzuschneiden.«
    Kamoses Kopf fuhr zu seinem Bruder herum. »Einfacher wohl, aber gegen jedes Gesetz der Maat«, antwortete er. »Ob es uns nun gefällt oder nicht, Mersu muss einen ordentlichen Prozess bekommen, vor uns, dem Bürgermeister von Waset und vor Uni als dem Oberhofmeister. Apophis lacht sich gewiss ins Fäustchen!«
    Wie ich mir gedacht habe, überlegte Si-Amun und sah dem Spiel des Schattens zu, der auf Kamoses nackten, auf der Trage gespreizten Beinen spielte, aber gut, dass ich ein wenig nachgehakt habe. Vielleicht wäre Kamose ja damit einverstanden gewesen, Mersu unauffällig zu beseitigen, wenn er einen Prozess zu erniedrigend und schmerzlich für uns alle gefunden hätte.
    »Was Apophis jetzt wohl unternimmt?«, überlegte er leise.
    »Apophis kann sich alle Zeit der Welt lassen und dann mit uns tun, was ihm beliebt«, sagte Kamose. »Ich an seiner Stelle würde uns alle erschlagen und damit für alle Möchtegernaufrührer ein Exempel statuieren, aber das hieße, den Erbadel Ägyptens vor den Kopf zu stoßen. So sind die Setius nur selten vorgegangen, und Apophis ist da nicht anders. Ich vermute, dass wir unsere Haut retten, aber alles andere verlieren.« Er winkte einen Diener, der ein paar Schritte entfernt stand, mit den Augen heran, und der Mann kam rasch und reichte ihm Wasser, das Kamose durstig trank. Dann legte er sich auf die Trage zurück. »Ich würde alles darum geben, wenn ich Teti in die Hände bekäme!«, knurrte er. »Ich würde ihm die rituellen fünf Wunden selbst beibringen, ehe ich ihm mein Messer in den wohlgenährten Schmerbauch stoßen würde!« Bei dem bitteren Ton seines Bruders krümmte sich Si-Amun innerlich. Wenn du wüsstest, lieber Kamose, dachte er.
    »Ich kann ihn irgendwie verstehen«, warf er ein. »Die wahre Maat ist dieser Tage für viele schlecht zu erkennen. Ich habe Mitleid mit Teti.« Kamose ließ sich nicht zu einer Antwort herab, und nach einer Pause wechselte er das Thema.
    »Wie willst du deinen Sohn nennen?«, fragte er.
    »Die Astrologen sind mit ihren Berechnungen noch nicht fertig«, antwortete Si-Amun. »Ich warte ab, was sie entscheiden.« Hauptsache, nicht Seqenenre, dachte er bei sich. Das ist ein Name, der nur noch mit Leid und Tod zu tun hat. Ach, mein Vater, wie rein, wie unbeirrbar bist du doch gewesen! Er stand auf. »Apophis wird die Trauerzeit achten«, sagte er, »aber anschließend können wir mit unserer Bestrafung rechnen. Bis dahin müssen wir jeden Tag genießen.« Kamose hatte die Augen geschlossen. Er ließ sich in den jähen Schlaf der Genesung gleiten.
    »Ja«, murmelte er noch. »Ja …«
    An diesem Abend versammelte sich die Familie im Speisesaal zum gemeinsamen Essen, eine bedrückte Gruppe mit verweinten Augen und wenig Appetit. Si-Amun hatte Amunmose und dem Bürgermeister von Waset eine Einladung geschickt, und nachdem man schweigend im Essen herumgestochert hatte und sich die auftragenden Diener entfernt hatten, schickte sich Si-Amun an, ihnen eine Ansprache zu halten. Als er sich dazu erhob, war er sich schmerzlich Mersus hoher, verhüllter Gestalt bewusst. Der Haushofmeister stand an seinem gewohnten Platz hinter Tetischeri und wachte still darüber, dass ihr jeder Wunsch erfüllt wurde. Uni, Kares,

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